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Berichte und Kritiken.
der Baukunst, umfassen. Bei der Wahl des Darzustellenden soll nicht
allein der Kunstwerth entscheiden, sondern auch Dasjenige, was, bei viel-
leicht geringerem Kunstwerthe, für Geschichte, Gebräuche und Kostüme der
Vorzeit beachtenswerth erscheint, Aufnahme finden. Das Ganze wird in
einzelne Abtheilungen zerfallen, von denen jede die Kunstwerke eines be-
sondern Bezirkes oder die Darstellungen eines bedeutenderen Gegenstandes
umfassen soll. Eine Abtheilung, mit der Bezeichnung "Miscellanea", ist
zur Aufnahme vereinzelt vorkommender Kunstwerke bestimmt.
Das erste Heft, mit dem der Anfang zur Darstellung der Kunstwerke
in Hannover gemacht wird, besteht aus sechs Steindrucktafeln, vier Seiten
erläuterndem Text, dem mit einem Holzschnitt versehenen Titel und dem
Vorwort. Für das Architektonische sind die darin enthaltenen Darstel-
lungen der Marktkirche zu Hannover, eines gothischen Gebäudes von ge-
brannten Steinen aus der Mitte des 14ten Jahrhunderts, hervorzuheben.
Die Kirche ist sehr einfach, doch in charakteristischer Eigenthümlichkeit
ausgeführt; sie hat drei fast gleich-hohe Schiffe und einen merkwürdigen
Ghorschluss, der Chor des Mittelschiffes in der sich ausweitenden, für
die Perspektive so günstigen Form, die aus sieben Seiten eines Zehnecks
gebildet ist (eine Form, die gleichzeitig auch noch an andern Gebäuden
unsres Nordens, aber doch nur selten, zur Erscheinung kommt). Die Pfeiler
sind kreisrund und mit einfachen Gurtträgern besetzt. Ein vorzüglicher
Grundriss und schöne Aufrisse des Inn_ern geben eine Gesammtdarstellung
der Structur; von den eben genannten Gurtträgern ist ein grösseres Profil
in den Text eingedrückt. Ich hätte gewünscht, dass auch die Profile von
allen übrigen architektonischen Details, so einfach sie sein mögen, in grös-
serem Maassstabe mitgetheilt wären, da sie überall für die Auffassung des
Charakteristischen und für die Feststellung der architekturgeschichtlichen
Entwickelungsgesetze von der grössten Wichtigkeit sind; ich glaube, dies
dem Herausgeber für die Folge um so mehr zur Berücksichtigung empfehlen
zu dürfen, als es scheint, dass gerade das Architektonische (im strengeren
Sinne) das Gediegcnste seiner Mittheilungen ausmachen wird. Ausserdem
ist von dem Innern der genannten Kirche eine malerische Perspektive ge-
geben; diesem Blatte entspricht eine malerische Ansicht der Cöbelinger
Strasse, mit alten, zum Theil nicht mehr vorhandenen Fachwerkgebäuden
im Vorgrunde und dem Thurm und einem Theil der Marktkircheim Hin-
tergrunde; beide Blätter sind sorgfältig gearbeitet, doch erreichen sie nicht
den beabsichtigten Eindruck der eigentlich malerischen Wirkung. Ein
Blatt enthält einige Umrissdarstellungen von Werken bildender und orna-
mentistischer Kunst, ein andres, in ausgeführter Lithographie, eine Dar-
stellung des Altarbildes aus der Kreuzkirche zu Hannover, ein Mittelbild
und zwei Flügel mit der heiligen Sippschaft etc. in sehr zahlreichen Fi-
guren. aus dem Anfange des löten Jahrhunderts. Auch diese Mittheilung
lSt sehr interessant, doch wäre ein schärferes, mehr charaktervolles Ein-
gehen in die Eigenthümlichkeiten des Originals zu wünschen gewesen.
Der Täxl giebt genaue Auskunft über die Geschichte und die Structur der
Marktkmihe; von den Erläuterungen der bildlichen Darstellungen enthält
er erst wenige ZQHQIL
Nach der Inhaltsangabe über die folgenden Hefte der ersten Abtheilung
dürften besonders die hierin in Aussicht gestellten Darstellungen von mit-
telalterlichen Wohngebäuden mannigfaches Interesse gewähren. Im Ueb-
rigen ist Niedersachsen durch wichtige Architekturen aus früh mittelalter-