590
Burichte und Kritiken.
mehr vorhanden ist). Die.hier dargestellten rühren, wie fast sämmtliche
bemerkenswerthe Privatarchitektnren Danzigs, aus dem 17ten Jahrhundert
her und sind mit reich dekorirten Brüstungen im Geschmacke dieser Zeit
versehen. Sie gewähren den Eindruck eines ungemein behaglichen Comforts,
der die Geschäfte des häuslichen Daseins, wozu unser Norden sonst nicht
allzugeneigt ist, gern auf die Gasse hinausträgt und nachbarlichen Verkehr
im lebendigen Gange erhält. Wir bedauern im Anblick dieses schönen
Blattes auch nur, dass der Künstler dies Element nicht vollständig ausge-
nutzt und seine Darstellung nicht durch eine entsprechende Staiiage belebt
hat. Eine Ansicht der St. Marienkirchc, mit den Häusern der Gasse,
die sich vor dieselbe hinzieht, befriedigt weniger. Alles ist hier auf male-
rische Haltung berechnet, aber es fehlt hier an den vermittelnden Luft-
tönen; auch das gothische Giebel- und Zinnenwerk der Kirche, das stoftlich
das meiste Interesse gewähren wurde, kommt nicht zu seiner rechten
Wirkung. In dieser stofflichen Beziehung ist das wichtigste Blatt eine
innere Ansicht des Artu shofe s, eines der schönsten Säle später gothischer
Zeit. Von vier mächtigen schlanken Granitpfeilern wird das buntgegliederte,
steruartig sich verschlingende Fächergewölbe getragen, das diesen Raum
bedeckt. Die reichste Pracht späterer Zeit erfüllt die Wände; aus den
grossen mythologischen Bildern treten in den Vordergründen Einzeltheile,
z. B. Hirschköpfe mit ihren Geweihen, auch ganze Thiere oder Menschen-
gestalten, mit phantastischer körperlicher Plastik hervor. Fahnen und andrer
Schmuck fehlen nicht. Schiilsmodelle sind an Ketten aufgehängt, die vom
Gewölbe niederlaufen. In der Mitte, auf ihrem ursprünglichen Platze. steht
die kolossale Marmorstatue des Polenkönigs August III. vom J. 1755, die
man in neuerer Zeit indess in einen Winkel zu rücken für gut befunden
hat. Alles dies ist auf dem vorliegenden Blatte in vortrefflicher wohlver-
standener Darstellung wieder gegeben; doch erlangt dasselbe leider auch
keine volle malerische Wirkung. bleibt vielmehr etwas grau im Ton. Hier
ist der Uebelstand ohne Zweifel der abweichenden Technik, die der Künstler
versuchsweise gewählt hat, zuzuschreiben. Dies ist die neuerlich erfundene
tylographische Badirung, bei welcher in eine präparirte Wachsmasse
radirt und über letzterer auf galvanoplastische Weise die Formplatte und
sodann die Abdruckplatte gewonnen wird. Man arbeitet bei diesem Ver-
fahren eben nicht mit der vollen künstlerischen Freiheit, welche der Nadel
und der Hand bei der guten alten Radirmanier auf so erquickliche Weise
zu gute kommt; man muss den verschiedenen Tönungen durch verschie-
denartigcs Aetzen entsagen, die, allem eigensinnigen Spuck des Aetzwassers
zum Trotz, doch einen so unbezahlbaren Werth haben; man entbehrt, ab-
gesehen von der grossen Schwierigkeit einzelner Correcturen, der mannig-
fach bequemen und charakteristischen Mittel zur Nacharbeit, die bei der
geätzten Platte nach Belieben durchzuführen ist; und zweifelhaft auch
möchte die Festigkeit der galvanoplastisch beschatTten Platten sein,
wenigstens schienen mir die von solchen gefertigten Abdrücke, die mir zu
Gesichte gekommen, immer etwas Graues zu haben (doch will ich mich
durch thatsächlichen Beleg sehr gern vom Gegentheil überführen lassen).
Jedenfalls können wir das wohl als sicher annehmen, dass die freie, solide
und reiche alte Technik für die Künstler das Beste bleiben wird und dass
die in neuerer Zeit erfundenen Surrogate etwa zur Unterhaltung der Dilet-
tanten bestimmt sein mögen. Doch führen mich diese technischen Be-
Iuerkungen VOH den schönen Danziger Darstellungen ab. Die Ansicht des