Danzig und seine Bauwerke in malerischen Original-Radirungen mit
geometrischen Details und Text von Johann Carl Schultz, K. Preuss.
Professor u. Direktor der Prow-Knnst-Schule zu Danzig. Zweite Lieferung,
Danzig, im Selbstverlage des Autors. 1848. gr. F01.
Kuustblatt
1850,
Der Herausgeber hat die Freunde seines schönen Unternehmens geraume
Zeit auf die Fortsetzung warten lassen; wir haben uns indess über die
lange Frist. die seit dem Erscheinen der ersten Lieferung vertlossen ist,
nicht zu beklagen: das Werk fährt fort, seinem Meister Ehre zu machen,
mit der zweiten Lieferung im Ganzen noch mehr als mit der ersten. In
N0. 104 des Stuttgarter Kunstblattes vom J. 1845 hatte ich über den Plan
des Unternehmens und über die damals erschienene erste Lieferung berichtet.
Ich deutete damals auf den dreifachen Vorzug hin, den sich das Werk
durch die Darstellung bedeutsamer Gegenstände, durch eine künstlerisch
freie Behandlung und durch eine von den Kunstliebhabern besonders ge-
schätzte Technik (die Radirung) zu eigen mache; wir begegnen den-
selben Vorzügen auch in der vorliegenden Fortsetzung. Besonders interes-
Saut ist unter den neuen Blättern zunächst das, welches den mittelalterlichen
Stockthurm mit seinem bunten Giebel- und Spitzenwerk und die neben
ihm gelegene sogenannte Peinstube darstellt. Beide Bauwerke sind vom
Wall aus aufgenommen; man blickt auf die nächstgelegenen Baulicbkeiten
der Stadt, namentlich auf das Kunstschulgebäude, hinab; das letztere ist
mit seinem ursprünglichen Thnrmschmuck und dem kupfernen St. Georg
auf der Spitze dargestellt, den es vor ein Paar Jahrzehnten durch die pro-
saischen Nivellirungsgelüste der Zeit eingebüsst hat. Man ist dem wackern
Künstler Dank schuldig, dass er, wie das Original des St. Georg für die
Kunstschulsammlung, so auf diesem Blatte von der ursprünglichen Anord-
nung wenigstens ein flüchtiges Bild bewahrt hat. Die Gesammtdarstellung
giebt einen der malerischsten Prospecte aus der Umsehliessung Danzigs;
die Behandlung des Blattes ist in schöner Fülle und zugleich Weichheit
des Tons durchgeführt. Ein zweites, ebenfalls vortreffliches Blatt enthält
eine Ansicht des Frauenth ores; ein Gebäude von leider schon etwas
Verflachten mittelalterlichen Formen, und daneben das etwas reichere soge-
nannte Sonntagsche Haus, etwa aus dem 17ten Jahrhundert, mit buntem
Thurm und Erkergiebeln. Das Frauenthor ist ein Wasserthor; die Ansicht
ist vom Flusse aus genommen; der breite Vorgrund des Bildes besteht aus
dem Spiegel des Wassers und den Schiffen, die dasselbe bedecken und mit
ihren Masten, Raaen und Tauen die dahinter liegenden Architekturen
kreuzen. Dies Blatt besonders ist von glücklichster malerischer Wirkung;
der Künstler hat hier tiefe Energie des Tons und spielende Luftwirknng in
einer Weise zu verbinden gewusst, die in der That in der Radirung nicht
häufig zu finden sein dürfte. Gleiche Meisterschaft der Behandlung zeigt
ein drittes Blatt, welches einige Beischläge darstellt, d. h, jene merk-
würdigen terrassenartigen Vorbauten der Privathäuser, die sich in Danzig
und auch gelegentlich in andern preussischen Städten aus älterer Zeit er-
halten haben, der modernen Nüchternheit aber mehr und mehr weichen
(wie denn auch der eine der auf diffsßm Blatt enthaltenen Beischläge nicht