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und
Berichte
Kritiken.
in eine nüchterne Schüchternheit übergegangen ist, Beispiele und Vorbilder
einer lebenvoll gediegenen Fülle recht sehr gebrauchen, und unsere Archi-
tekten werden sie hoffentlich um so lieber entgegennehmen, wenn unsere
eigene vaterländische Vergangenheit uns diese nützlichen Beispiele liefert.
Leben und Werke des Bildhauers Tilman Riemenschneider,
eines fast unbekannten aber vortrefflichen Künstlers, am Ende des läten
und Anfang des löten Jahrhunderts. Beschrieben und herausgegeben von
C. Becker. Mit 7 Kupfer-tafeln und 2 Vignetten, gezeichnet von F. Lein-
ecker u. A. und gestochen von L; Regnier. Leipzig, Rudolph Weigel
1849. 20 S. Text. Roy. 4.
(Deutsches Kunstblatt 1850, N0. 4.)
Wir empfangen alle Mittheilungen zur Aufhellung unserer Vaterländi-
schen Kunstgeschichte mit lebhaftem Danke, besonders aber, wenn sie, in
gründlich monographischer Behandlung, einen beachtenswerthen Einzeltheil
derselben urkundlich feststellen und, je nach ihrer Aufgabe, Boden und
Fundament für den Weiterbau des grossen Ganzen sichern und ordnen
helfen. Zu solchen Arbeiten gehört die in der Ueberschrift genannte. Der
Name des Meisters, dem dieselbe gewidmet ist, wird den heutigen Freunden
der Vaterländischen Kunst nicht mehr unbekannt sein. Es genügt, daran
zu erinnern, dass das schöne Denkmal Heinrich's II. und der Kunigunde
im Bamberger Dome von ihm herrührt; ein Künstler des Ranges, wie er
sich in diesem merkwürdigen Sculpturwerke kund gibt, ist eines näheren
Eingehens unbedenklich in vollem Maasse werth. So hat auch der Name
des Verfassers und Herausgebers bei den Freunden unsrer Kunstgeschichte
einen guten Klang. Es bedarf hiernach keines weiteren Nachweises, um
den Werth der Gabe darzulegen.
Ueber das Leben Riemenschneidens gibt uns der Verf. die einfachen
lVlittheilungen, die aus den urkundlich erhaltenen Daten hervorgehen.
Dürftig, wie diese sind, zumal in Bezug auf die eigentlich künstlerischen
Verhältnisse, gewähren sie doch einen Einblick in die, mit dem bürgerli-
chen Leben eng vertlochtene Lebensstellung des damaligen deutschen
Künstlers. Das Geburtsjahr Riemenschneiderls ist nicht bekannt. Er stammt
aus Osterode am Harz und kam 1483 als Gesell nach Würzburg, wo er
für sein ferneres Leben verblieb. Er nahm an der städtischen Verwaltung
in Krieg und Frieden Theil, bekleidete zeitweilig die Bürgermeisterstelle,
bethätigte sich besonders bei den schwierigen städtischen Maassnahmen
zur Zeit des Bauernkrieges und litt unter den Leiden der Stadt persönlich
mit. Er starb, hochbetagt, am 8. Juli 1531. Ueber seinen künstlerischen
Bildlmgsgang liegt keine Nachricht vor. Der Verf. bezeichnet seine künst-
leriSChß Stellung zu den gleichzeitigen, namentlich fränkischen Meistern
der Bildnerei und nimmt besonders ein nahes Verhältniss zu A. Kraft an,
ohne ihn doch etwa zu dessen Schüler machen zu wollen. Ich möchte,
soweit wenigstens die Eigenthümlichkciten des vorgenannten Bamberger