Das
Ruhhaus in
Bremen. Nach der Natur gezeichnet und lithographirt
von K. Gildemeister. 1)
(Kunstblatt
1849,
Die prächtige Facade des Bremer Rathhauses, eines der wichtigsten
Beispiele für die deutsche Architekturgeschichte, die bisher meines Wissens
nur durch ungenügende kleine Stahlstiche oder mangelhafte Lithographien
bekannt war, wird uns in der vorliegenden grossen Lithographie (von
22 Zoll Höhe und Zoll Breite) in anschaulichster Weise, in einer mit
meisterhaftem Verständniss gearbeiteten Darstellung vorgeführt. Die An-
sieht ist vollkommen malerisch gehalten und giebt uns einen Blick auf
das Gebäude und die gesammte Umgebung in ihrer heutigen Gestaltung.
Helle Mittagsbeleuchtung lässt alles "Wesentliche in genügendem Relief
hervorspringen. Der Platz vor dem Rathhause, der den Vcrgrund des Bil-
des ausmacht, ist von mannigfachen Volksgruppen erfüllt. Dem Beschauer
gegenüber, anr Ende des Platzes, vor der Mitte des Rathhauses, erhebt sich
der mächtige Steinpfeiler, an welchem das ungeheure Riesenbild des gros-
sen, Ostwärts abgewandten Rolands lehnt. Rechter Hand schliesst das
Bild durch ein gothisches Giebelhaus ab, dem zur Seite der Thurm des
alten Domes emporsteigt, dessen Untergeschosse in romanischen, die Ober-
geschosse in frühgothischen Formen erscheinen. Auf der linken Seite,
hinter dem Rathhause vorragend, werden alte Kapellenbauten sichtbar, in
spätgothisohen. zum Theil zierlichen Formen.
Das Rathhaus selbst ist in seiner Masse ebenfalls ein ursprünglich
gothischer Bau. Damit ist jedoch in der Frühzeit des 17ten Jahrhunderts
(seit 1602) ein Umbau vorgenommen, der alles Wesentliche, wenigstens an
der Hauptfacade, in den brillanten Formen des Renaissancestyles, nach dem
damaligen Stande der Entwickelung desselben in Deutschland. erscheinen
lässt. Eine Arkadenhalle, auf zwölf Säulen ruhend, ist dem Erdgeschoss
vorgesetzt; über dem mittleren Theil der Halle erhebt sich ein höchst ele-
ganter Erkerbau, mit phantastischen Giebelzierden schliessend; die grossen
Fenster des alten Obergeschosses (die an der Seitenfacade noch den ursprüng-
lich spitzbogigen Schluss haben) sind geradlinig geschlossen und wechselnd
mit antikisirendcn Flachgiebeln und flachen Bogengiebeln gekrönt. Zwischen
den Fenstern aber sind die Kolossalstatuen aus mittelalterlicher Zeit mit
ihren gothischen Konsolen und gothischen Baldachinen beibehalten. Das
Ganzenverschiedenartiger Zeit angehörig, ist also nicht als eine selbständig
freie architektonische Composition zu betrachten. Dennoch hat die Faqade,
sowohl im Ganzen wie im Einzelnen, sehr wesentliche Vorzüge. Fürs Erste
den Vorzug eines sehr glücklichen Maassverhältnisses. Der Hauptkörper
des Gebäudes erhebt sich über der vertretenden Halle mit imposanter
Energle, die durch die hohen Fensterdimensionen und das energisch vor-
tretende Kriinungsgesiins angemessen bezeichnet oder verstärkt wird. Dabei
flbCY jst Cllß eigenthümliche Wirkung der I-lalle auf keine Weise beein-
trächtigt; 1m Gegentheil macht die Kraft ihrer dorischen Säulen, der kühne
SChWung der Bögen, welche die letzteren bei breiten Abständen verbin-
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