Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Berichte und 
Kritiken 
als halbe Figur (die. wie nnterwärts, so auch zu den Seiten durch die 
Einrahmung abgeschnitten wird), steht aufrecht vor dem Beschaner da, 
freilich aber nicht, um irgendwie die Fülle einer mächtigen körperlichen 
Organisation zur Anschauung zu bringen, sondern zunächst offenbar, um 
durch den mystischen Schimmer jenes altgeheiligten Ornates die Sinne des 
Beschauers gefangen zu nehmen. Die schweren Stoffe der Gewandung 
fallen kaum in Falten nieder; dazu sind sie fast über und über, ebenso 
wie das anderweitige Schmuckgeräth, mit Steinen, Perlen und Stickerei 
bedeckt. Von der leichter stoftlichen Alba wird fast nichts, als nur ein 
wenig von den weissen Aermeln sichtbar. Mehr schon von der mässig 
gestickten Dalmatica und von dem Gürtel, der dieselbe umsehliesst. Doch 
auch sie ist bedeckt von der breiten glänzenden Stola, die sich über der 
Brust kreuzt und voll niederwärts fällt, und voudem schweren Mantel, 
den die Spange am Halse zusammenhält. Die. Hände, mit reichverzierten 
Handschuhen bedeckt, halten das alte Schwert und den Reichsapfel. Um 
das Haupt zieht sich die Krone, deren einzelne Schilder mit kleinen Relief- 
darstellungen oder mit Steinen geschmückt sind. Den phantastischen Ein- 
druck zu erhöhen, neigen sich oberwärts in dem schwarzen Grunde des 
Bildes, zu beiden Seiten des Hauptes, noch zwei Wappenschilde gegen- 
einander, mit dem Adler Deutschlands und den drei Lilien Frankreichs. 
Nur das Gesicht des Kaisers zeigt uns die naive Bildung der natürlichen 
Form. Es ist nichts von dem darin, was man mit dem Worte "ideal" zu 
bezeichnen pflegt. vielmehr eine gewisse genrehaft realistische Auffassung. 
Wohl aber giebt ihm der zugleich breite und gestreckte Knochenbau des 
Kopfes, das entschieden feste Vorwärtsblicken des Auges, der Trotz der 
Unterlippe, verbunden mit der majestätischen Eleganz in Haupthaar und 
Bart einen sehr eigenthümlichen und charakteristischen Reiz. Dürer hat 
die Poesie des alten Kaiserornates in diesem Kopfe vortrefflich zu con- 
centriren, ihn meisterhaft zum Träger der Gcsammtidee des Bildes zu 
machen gewusst. 
Auf der einfachen Einrahmung, die der Kupferstecher ebenfalls ge- 
stochen hat, lesen wir, mit mittelalterlichen Buchstaben, die Inschrift: 
Dis ist der gestalt vnd biltnns gleich 
Kaiser Karlus der das Remisch reich 
Den teutschen vnder tenig macht 
Sein kron vnd klaidung hoch geacht 
Zaigt man zu Nurenberg alle Jar 
Mit andern haltnm (Heiligthum) offenbar. 
Die Aufgabe, diese ganze phantastische Pracht, dabei in der Haltung 
Düreäscher Malerei, im Kupferstich wiederzugeben, war eine sehr eigen- 
thümliche; es genügt aber, Reindels Namen zu nennen, um damit zugleich 
ihre meisterhafte Lösung zu bezeichnen. In all den reichen Details aufs 
Genaueste durchgeführt, hat das Blatt eine malerisch-harmonische Gesammt- 
Wirkung. die das Auge in wohlgefälligster Weise berührt. Der Charakter 
des Kopfes ist mit dem vollen Verständniss Dürefscher Ausdrucksweise 
wiedergegeben, die Eleganz des Haarwuchses aufs Sorgfältigste nachge- 
bildet. Das Blatt vermehrt in überaus schätzbarer Weise den immer noch 
kleinen Kreis von Publicationen aus der Blüthezeit unserer alten vaterlän- 
dischen Kunst, und wie Herr Reindel sich hiemit aufs Neue die Freunde
	        
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