Deutschland.
Geschichte der Kunst in
Zur
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derheiten in den figürlichen Darstellungen des Altarwerkes genau wieder-
zugeben, scheint nicht in der Absicht des Zeichners derselben gelegen zu
haben; wenigstens sind Körperformen, besonders im Nackten, Gesichtsaus-
druck und Andres durchgehend in einer Weise modern behandelt, die in
der Arbeit der alten Bildschnitzer und Maler nicht zu finden sein dürfte,
Vielmehr kam es ohne Zweifel darauf an, die Gesammtcomposition, nament-
lich die architektonische und ornamentistische Entwickelung derselben zur
Anschauung zu bringen, und in diesem Betracht ist das Vorhaben meister-
haft erreicht. Für die reiche Kunstentwickelung, die an den grossen deut-
sehen Altarwerken zu Ende des Mittelalters sich ausgeprägt hatte, giebt
dies Blatt eine so interessante wie belehrende Darlegung, und es reiht sich
dasselbe sonach, und überhaupt in der ganzen Art und Weise seiner Be-
handlung, der Heidelotfschen Ornamentik des Mittelalters ebenfalls als ein
Sehr schätzbares Supplement an.
4) Verhandlungen des Vereins für Kunst und Alterthum in
Ulm und Oberschwaben, unter dem Protektorate Sr. k. H. des
Kronprinzen Karl von Württemberg. Vierter Bericht. Mit einem
Farbendruck und drei Steinzeichnungen. Ulm, 1846.
Das angeführte Heft enthält verschiedenartige Berichte und Mittheilun-
gen, die einerseits von der Wirksamkeit des Vereins erfreuliche Kunde
geben, andrerseits für die Geschichte der Künste in Schwaben ein vielfach
belehrendes Interesse darbieten. Es ist hier nicht der Ort, diese Mitthei-
lungen im Einzelnen aufzuführen und durchzugehen. Vorzüglich bemer-
kcnswerth erscheinen die Berichte über die Restauration des Ulmer Mün-
sters, die über eine ansehnliche Sammlung alter Holzschnitzwerke, welche
dem Dekan Dr. Dursch in Wurmlingen bei Tuttlingen angehört, und die
über eine Anzahl altdeutscher Gemälde, welche sich zu Sigmaringen im
Besitz Sr. fürstl. Durchl. des Erbprinzen Karl zu Hohenzollern befinden,
sowie auch die biographischen Notizen über den jüngst verstorbenen Histo-
rienmaler Professor Dietrich in Stuttgart. Unter den bildlichen Beilagen
ist besonders die im Farbendruek gegebene Darstellung eines Reliquien-
kästchens hervorzuheben, welches mit figürlichen biblischen Scenen in
streng byzantinischem Style, gravirte Umrisse in Gold und mit farbig
emaillirten Gründen zwischen den Figuren, geschmückt ist; sodann zwei
Umrissblätter in Grossfolio, zu der schon früher begonnenen und noch
fortzusetzenden Folge von Darstellungen der Syrlin'schen Chorstühle im
Ulmer Münster gehörig. Diese beiden Blätter behandeln insbesondere den
prachtvollen, an der Rückseite des Kreuzaltares im Ghore des _Münsters
iSolirt stehenden Stuhl; das Ornament nähert sich hier, obgleich noch
völlig vomder Grundlage des deutschen Styles aus, doch schon JEDE!"
SChönen weich geschwungenen Behandlungsweise, die bei den Ornamenten
des italiellißtihßn Cinquecento vorherrscht. Zu bemerken 1st, dass das
Ornament an den Aussenseiten der Seitenwände des Stuhles naiver-weise
auf der linken Seite aus Reben und auf der rechten Seite aus Hopfen besteht,