Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

Etudes 
l'Allemagne. 
harmonischen Durchbildung aber, in welcher dies Princip wenige Jahre 
später im Kölner Dome, in der Katharinenkirche von Oppenheim und in 
vielen andern Gebäuden erscheint, findet sich in Frankreich keine Spur. 
Was die Bildung der gothischen Facade anbetrifft, so ist schon oben 
bemerkt, dass diese ohne Zweifel Frankreich zunächst ganz eigenthürnlich 
ist; auch hat sie sich dort im weiteren Verlauf zu einer besonderen und 
grossartigen Pracht gestaltet. Deutschland wird auch dies Motiv von 
Frankreich erhalten haben; aber eben so sehr: wie das Princip des Innere", 
hat es auch dies künstlerische Element zu einer ganz neuen, ungleich mehr 
Organischen und zugleich bedeutsameren Erscheinung umgesiälißf- Indem 
es die lästigen Arkadenreihen der französischen Facade abwarfi schäme es 
der freien Entwickelung, der selbständigen Gliederung der Strebepfeller 
Raum und gelangte es dahin, jene Wirkung eines stetigen Emporsteigens 
bis in die äusserste Spitze zu erreichen, welche der Triumph der gothischen 
Thurmarchitektur ist. 
Noch ist ein Wort von jenen Kapellenreihen zu sagen, welche bei der 
Mehrzahl der französisch-gothischen Kathedralen den Chor umgeben. Sie 
sind in Frankreich vorzugsweise zu Hause, sie scheinen auch dort am 
frühesten vorzukommen. Gleichwohl muss ich bemerken, daSS Wir alleh 
bei uns in vielen spätbyzantinischen Gebäuden ein Vorbild dazu. in jenen 
kleinen Nischen des Chores oder des Chorumganges, finden, und dass sie, 
ganz ausgebildet, auch bei uns schon an einem gothischen Gebäude frühe- 
ster Zeit (am Chorc des Magdeburger Domes aus den ersten Jahren des 
dreizehnten Jahrhunderts) erscheinen. Nicht minder sind sie an einzelnen 
Gebäuden des vollendet gothischen Styles, wie z. B. am Kölner Dome, 
angewandt. Dass sie im Allgemeinen seltner vorkommen, als in Frank- 
reich, möchte ich indess nicht als einen sonderlich druckenden lilangel 
betrachten. Im Gegentheil scheint es mir, als ob die reiche Vollendung, 
welche der Grundriss des gothischen Gebäudes durch sie erhält, mehr nur 
auf dem Papier als in den ausgeführten Bauwerken sichtbar werde; für 
den Totaleindrirck des Inneren wenigstens scheinen sie mir nur von unter- 
geordneter Bedeutung. 
Fassen wir nach alledem das Resultat kurz zusammen, so wird man 
sagen müssen, dass Frankreich allerdings in der Entwickelung der gothi- 
schon Architektur ein sehr wichtiges Mittelglietl ausmacht. dass es ohne 
Zweifel Eintluss auf Deutschland ausgeübt hat, dass dieser Einfluss aber 
keineswegs ein ausschliesslicher gewesen ist und dass im Gegenthcil die 
ßlüthe der gothischen Architektur Deutschland angehört. Auch wenn Wir 
nach England, der dritten unter den drei Grossrnächten der gothischeu 
Architektur, hinüber-blicken, bleibt das Resultat ungcschwiicht. Auf letzte- 
YHS jedoch näher einzugehen, ist hier nicht der Ort; doch wird sich für 
den Unterzeichneten anderweitig Gelegenheit finden, auf dies ganze Thema 
ausführlicher zurückzukommen. Schon das Vorstehende ist minder des 
französischen Autors, als derjenigen Deutschen wegen, die Seine Meinung 
theilen, niedergeschrieben. 
Das Urthcil über die Geschichte der deutschen Malerei, welche der 
Verfasser im zweiten Thcil seines Werkes mittheilt, wird sich, obgleich 
Sie an Umfang ilngleieh bedeutender ist, einfacher fassen lassen. Zuvor 
scheint es iudess nöthig. das Vorwort, mit welchem der Verfasser diesen 
Abschnitt einleitei, hierher ZU Seilen- „Die Geschichte der Malerei in 
Deutschland (S0 helSSi (i? C1011), WC-lChC Wir dem [lrtheil des Publikums
	        
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