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Reisenotizen
vom Jahr
1845.
Pilon (gest. 1590) die berühmten drei Grazien vom Grabmale König
Heinrichs lI. Ganz elegant, das Knittrige in der Gewandung nicht übel
behandelt. Von Pierre Pujet (gest. 1694) der berühmte Milo von
Croton, der, wehrlos, von einem Löwen zerrissen wird, eine künstle-
rische Aufgabe, die, eben schon als solche, nicht zuviel Geist verräth.
Hier auch von Michelangelo Buonarotti die beiden Statuen gefesselter
Männer, welche ursprünglich für das Grabmal Papst Julius lI. gearbeitet
zu sein scheinen. Der jüngere sehr schön und grossartig, der ältere in
widerwärtiger Stellung, sehr verbauen und desshalb wohl unfertig.
Höchst interessant ausserdem die vollständigen Gypsabgüsse der beiden
grossen Grabmonumente der Kathedrale von Granada. Dem Charakter
nach möchte ich sie mit der deutsch-rheinischen Renaissance vergleichen.
Der eigentliche Knnstwerth ist aber nicht sehr hoch. Das Ornamentistische
ist besonders an dem einen Sarkophage sehr schön. Die Portraitfiguren
sind in einfach strenger Naturwahrheit gehalten; die figürlichen Compo-
sitionen ohne tiefere Bedeutung und ohne besondern Styl. Doch haben
die auf den Ecken frei herausgearbeiteten Figuren in der Anordnung etwas
Grossartiges.
Nancy
Die Stadt überall an "Stanislas le Bienfaisant" erinnernd, Stan,
Leszczynski, den weiland Polenkönig, der als Schwiegervater König Lud-
wig's XV. und Herzog von Lothringen hier in seinen späteren Jahren be-
hagliche Ruhe fand. Die Stadt gehört fast ganz seiner Regierungszeit,
d. h. der Mitte des vorigen Jahrhunderts an und hat die frappanteste
Aehnlichkeit u. A. mit Potsdam. Nur am Palast der alten Herzoge von
Lothringen sind noch einige interessante Reste von spätest mittelalterlichen
Architekturformen, in denen sich ein schon halb antikisirend gebildetes
Gothisch mit wirklicher Renaissance mischt. Namentlich gehört dahin
jenes prächtige Portal, welches Chapuy bekannt gemacht hat.
Im Museum nichts besonders Erhebliches. Einige gute Landschaften
holländischer Schule. Ein dem Perugino zugeschriebenes Bild, eine Ma-
donna und zwei Engel, das neugeborne Christkind anbetend; jedenfalls,
wenn in der That von ihm, aus seiner späteren schwächeren und mehr
manierirten Zeit.
Strassburg.
Der Münster. Der innere Eindruck des Schiifes im Allgemeinen
gross, würdig und frei. Das Triforium, in der Verbindung mit der
Fenster-Architektur, von guter Wirkung. Der Einblick in den niedrigeren
spitzbogig romanischen Chor giebt dagegen ein kahles Bild; dahin würden
bedeutende Malereien auf Goldgrund u. dergl. gehören. Die Gliederung
der Schiifpfeiler ist, nach Maassgabe ihrer Grundrissdisposition, von etwas
trocken parallelistischer Wirkung, d. h. die Gurtträger wiederholen sich zu
gleißhmässlg, entwickeln sich nicht hinreichend nebeneinander. Im Aeus-
seren haben die Strebepfeiler zu den Seiten des Schiffes mit ihren Bal-
dachincn und Strebebögen noch den primitiven Charakter, während aller-
dings das Fenstcrstahwerk schon sehr entwickelt erscheint. Die Faqnden