Reisanotizen
Jahr
VOIII
1845.
aufgegeben galt, glücklich wiederhergestellt; das Köpfchen namentlich ist
von äusserst lieblichem Ausdruck. Unter den Bildern, bei deren Aus-
führung man Schülerhülfe voraussetzt, wirkt die für Franz l. gemalte
h. Familie mit dem blumenstreuenden Engel (No. 1184), so schön die Com-
position an sich ist, auf mein Gefühl doch etwas äusserlich klassisch,
scheint der den Satan niederschmetternde Erzengel (No. 1187) ebenfalls
schon nahe an der Grenze des Naiven zu stehen, und ist die kleine
h, Familie mit der Elisabeth und dem Johannisknaben (N0. 1188) in der
malerischen Behandlung schwer. (Von dem hier vorhandenen Exemplar
der Madonna von Loretto oder Vierge au linge, No. 1191, habe ich keine
sonderlich bestimmte Erinnerung bewahrt; und die mir besonders werthe
Composition der kleinen Vierge au diademe, No. 1186, war bei meinem
Besuch im Louvre nicht in der Gallerie.) Unter den Bildnissen ist das
des blonden Jünglinge, der das Gesicht nachlässig auf die Hand stützt
(No. 1196), ein mit geistreicher Leichtigkeit gemaltes Bild aus Raphaels
späterer Zeit, ungleich individueller und charakteristischer als in den
Stichen. So ist auch das Bildniss des Grafen Castiglione (N0. 1195), das
einen interessanten, guten, etwas geistreichen und sinnigen Lebemann vor-
führt, frei und leicht, doch ein wenig kalt gemalt, während das Bild
der Johanna von Arragonien (No. 1194), in dem man bekanntlich nicht
viel von RaphaePs eigner Hand anerkennen will, allerdings geradehin kalt
und selbst hart in der Malerei erscheint und dabei ihren Charakter spitzer,
schärfer, individueller und bewusster hervortreten lässt, als dies aus den
Nachbildungen im Stiche ersichtlich wird. Jedenfalls sieht wer sich nur
ein wenig auf Physiognomie versteht, dass die Dame, trotz ihrer ausbün-
digen Schönheit, dem Meister nicht sonderlich behagt hatte, was dann eben
seine geringe Sorge für eine meisterlich vollendete Durchführung des Bil-
des hinlänglich erklären dürfte. Im Uebrigen stimme ich völlig bei,
dass das derbe, nicht sonderlich anziehende Gemälde, welches man
„Raphael und sein Fechtmeister" benennt (No. 1193) und welches man
gegenwärtig zumeist dem Seb. del Piombo zuschreibt, nicht von Raphael
herrührt;-- dass das Bildniss des Mannes, der den Arm auf den Tisch
gelegt hat (No. 1197), ein alterthümliches, durch dunkeln Schmelz in den
Schatten eigenthümlich ausgezeichnetes Bild, von Fr. Francia herrührt,
und dass die grau in grau gemalte allegorische Figur des Ueberflusses
(No. 1192), trotz des darauf später hinzugefügten Namens des Raphael,
bestimmt nicht von ihm, sondern wahrscheinlich von Giulio Romano ge-
malt ist.
Unter den, nicht allzu erfreulichen Bildern von Giulio Romano ist
das einer Anbetung der Hirten (No. 1073) energisch und schon in manie-
ristischer Richtung, das des Vulkan, Pfeile schmiedend, mit denen Venus
den Köcher des Amor füllt (No. 1077), nüchtern. Das kleine Bild des
Wettkampfes der Musen und Pieriden von Perin del Vaga (No. 1159)
ist tüchtig behandelt und bornirt raphaelesk. Das Gemälde der Heim-
suchung Maria von Rosso de' Rossi (No. 1205) hat schwache Reminis-
cenzen an Raphael und Andrea del Sarto. Der den Goliath erlegende
David von Daniel da Volterra (No. 961) ist kalt, wie dies zu erwar-
ten war.
VW Gißrgione u. A. die Madonna mit Heiligen und dem verehren-
(1611 Donau" (No. 1028), ein Bild prächtig naiver Lebensglut, besonders in
der kleinen Böhmin (der h. Katharina). Gemeinsamer Typus mit kurzen