Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Reisenotizen vom Jahr 
1845. 
pfeiler z. B. gestalten sich schon bald über dem Fundament in der Art, 
dass statt herauswachsender und vorquellender Glieäler die 
 7   Einzeltheile mehr nur durch Einschnitte voneinan er ge- 
 sondert werden, und gehen in dieser Weise ganz bis nach 
oben empor. Das feinere Detail ist Leistenwerk. Schwer- 
fällige Giebelreihen über den Seitenschiffen.  Im lnneren (Bau des 13ten 
Jahrhunderts) hohe, mächtig kolossale Rundsäulen, über deren Kapitälen 
das Gurtenwerk aufsetzt. Hohe Triforien, im Chor mit sehr dicken Säu- 
len, im Schilf mit nüchtern gebildeten Pfeilern. Den massigen unteren 
Formen entsprechen die dünnen oberen nicht sonderlich. Gleichwohl ist 
das räumliche Gesammtverhältniss des Inneren schön. 
Aeltere Glasfenster, aus dem löten und 17ten Jahrhundert, fürst- 
liche Personen in Tabernakel-Architekturen darstellend. Im Figürlichen 
mehr oder weniger unbedeutend. Bei denen in den obern Ohorfenstern 
baut sich eine wulstige Renaissance-Architektur ganz bis in den Gipfel 
der Fenster empor. Bei denen im Querschiil" und in der nördlichen Ka- 
pelle macht sich der architektonische Aufbau, der leichter bleibt, ganz 
lustig. Die der südlichen Kapelle, in deren Farben das widerwärtige Gelb 
der späteren Zeit vorherrscht, sind zum Theil merkwürdig durch die be- 
queme, brabantisch eigenthümliche Zusammenstellung der Figuren. 
Kirche 1a Chapelle. Chor und Querschiif spätromanisch, elegant 
und in den Details sorglich durchgebildet. Schiff später gothisch, in der 
gewöhnlich niederländischen Weise auf Säulen, ohne Triforium; eine Gal- 
lerie vor den Fenstern. 
Unter den älteren Gemälden zu bemerken: eine grosse Christenmarter 
von F. Floris, manierirt; und eine heilige Familie „in der Art des älteren 
Franck", sehr grossartig in der Composition, Arbeit eines tüchtigen Ma- 
nieristen der späteren Zeit des 16ten Jahrhunderts. 
Kirche Notre-Dame des Victoires. Aus der Spätzeit des 13ten 
Jahrhunderts. Schöne Verhältnisse im Innern. Die Rundsäulen des Schiffes 
minder schwer, die oberen Details etwas flacher und daher mehr in Har- 
monie mit den Säulen. Triforium im Einschluss der Fenster-Architektur, 
daher der Obertheil des Schiffes einen vollen Eindruck gewährt.  Ka- 
pelle der heil. Ursula; schwarzer Marmor. Ueber dem Altar eine Statue 
der h. Ursula von F. Duquesnoy, eine recht ansprechende Arbeit aus 
weissem Marmor. Treftlich ruhige Kuppelbeleucbtung. 
Hotel de ville. Berühmtes Architekturwerk der ersten Hälfte des 
löten Jahrhunderts. Imposanter Aufbau, doch in der architektonischen 
Behandlung nicht eben ausgezeichnet. Das Detail wiederum mehr Leisten- 
dekoration; das Einzelne kommt nicht recht aus der Masse heraus. Es ist 
etwa, wie man in moderner Zeit, ohne innerlich lebenvolles Verständniss, 
das Gothische aufzufassen pflegt. 
Manneken-pis, bekannte ungenirte Brunnenstatue eiucs nackten 
Knaben. an öffentlicher Strassenecke. 1648 von F. Duquesnoy gearbeitet 
und in Bronze gegossen. Die Stellung hintenübergelegt, sehr glücklich, 
die Beine und Andres vortrefflich. Doch fehlt cs an Unterleib, so dass 
das Verhältniss der Figur etwas Gedrucktes hat. 
M11 Sßum. Notiz über ein Paar kunstgeschichtlich markante Bilder.  
Bernardin van Orlcy. No. 358, Klage über dem Leichnam Christi und 
die Donatoren mit ihren Familiengliedern auf den Flügeln. Manierirt, 
doch in mässiger Weise. Indem Mittelbilde manches Mailändische. Die
	        
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