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zhtige
Reisenotizeu
VOIII
Jahr
1844.
grund ein lautespielender Engel. Im Hintergrund Dürer und Pirckheimer;
der erstere mit einem Täfelchen in den Händen, darauf, ausser Dürers
Monogramm. die Inschrift: „Exegit quiuquemestri spatio Albertns Durer,
Gerinanus MDVI." Ohne allen Zweifel das berühmte Gemälde, welches
Dürer in dem genannten Jahre zu Venedig für die deutsche Gesellschaft
gefertigt hatte. Ein gewisser Zug grossartiger Heiterkeit, durch das Ganze
gehend, ist noch unverkennbar; es ist wie eine Sammlung bedeutender
Bildnisse für den wdrdigsten Zweck. Aber das Bild scheint fast ganz ab-
gewaschen gewesen zu sein. Die Maria mit dem Kinde ist ganz neu auf-
gemalt; die Engel sind es, mehr oder weniger, ebenfalls; auch an dem
Uebrigen ist Vieles übermalt, an vielen Stellen aber schimmert die origi-
nale Hand noch durch. Für die Zeit und den Ort der Ausführung ist
charakteristisch, dass in den lieblich zarten Mädehenköpfen, die auf dem
Bilde enthalten, entschieden italienische Modelle zu erkennen sind und
dass der Engel mit der Laute im Vorgrunde ein ziemlich bellineskes Ge-
präge trägt. (Dürer schrieb bekanntlich an Pirckheirner über Giovanni
Bellini, dieser sei noch „der pest im Genial?) Es existirt nach dem Bilde
ein kleiner Stahlstich von J. Battmann.
Karlstein.
Mächtige, romantisch gelegene Burg, ungefähr drei Meilen von Prag
entfernt. In den vorzüglicheren Theilen und Massen noch wohlerhalten,
obschon neuerlich auf ungeschickte Weise modernisirt.
Die Burg ist von Kaiser Karl IV. erbaut, gegründet 1348, vollendet
und geweiht 1357. Sie sollte zur Aufbewahrung der Krone, der Reichs-
kleinodien, der wichtigsten Landesurkunden u. s. w., sowie zum stillen
Asyl für die Person des Kaisers dienen. In einer seltsamen poetisch-
phantastischen Stimmung suchte zugleich aber Karl IV. die Burg seines
Namens zu einem zweiten Montsalvatsch, das die Dichtungen vom heiligen
Grale feiern, zu machen. Sie ward als heiliger Raum verkündet. Kein
Weib, selbst nicht die Kaiserin, durfte zur Nachtzeit drinnen weilen;
stündlich soholl ein Wächterruf in die Thäler hinab, der jeden, welcher des
NVeges zog und zufällig der Burg sich näherte, vor Schaden warnte. Die
heiligsten Lokalitäten im Innern der Burg, wo der Kaiser sich mit unver-
drossener Ausdauer den religiösen Uebungen hingab, erhielten eine Aus-
stattung, die geradehin an die Schilderungen erinnerte, welche die über-
schwengliche Phantasie des Dichters von dem Tempel des heiligen Grales
gemacht hatte. Es lag, wie es scheint, im Wesen dieses epigonischeir
Zeitalters, die Ideale der Dichter so viel weiter man auch von ihrem
Geiste abgekommen war zur Nutzanwendnng für das Leben zu ver-
körpern. Wie hier in Böhmen das wundervolle Heiligthum der Templei-
S911, so wurde wenige Jahrzehnte später in Preussen, bei dem grossen
europäischen Ritterzuge gegen die Litthauer, den Konrad von Wallenrod,
der Idochmeister des deutschen Ordens, veranstaltete, das Bitterthum des
König Artus und die prachtvolle Tafelrunde desselben erneut. Der Orden
vergeudete freilich bei dem Prunk des "Ehrentisches", (ler die neuen
Paladine vereinigte, sein Vermögen, und der ungeheure Zug blieb nutzlos;
und Kais!" Karl ward trotz des neuen Montsalvatsch auch nicht ein Mann
des I-leiles für seine Zeit. Doch weiss das Geschick selbst verwunderliche
Launen der Menschen für weitere Zwecke zu verwenden: der neue