Geschichte
bildenden
der
Künste.
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kennen; die alleinige Gegenüberstellung jenes Opfers aber sichert dem
letzteren unbedenklich eine hervorstechende Bedeutung, die nicht in einer
ganz allgemeinen Moral, sondern nur in der unmittelbaren, zunächstliegen-
den Beziehung auf Christi eigenen Opfertod gefunden werden kann. Bei-
läufig bemerke ich, dass dies Schnitzwerk zu den frühesten christlichen
Arbeiten gehört, die auf unsere Zeit gekommen sind; die Behandlung ist
noch völlig römisch. Vorstehende Bemerkungen mögen zugleich als ein
wesentlicher Grund dienen, wesshalb ich einige spätere Aeusserungen des
Verfassers über jene synibolisirende altchristliche Kunst, in denen er sie
als nwcichlich", als nsüsslich" bezeichnet, nicht unterschreiben kann.
Das zweite Buch behandelt die "byzantinische Kunst." Ich halte
diesen Abschnitt für die wichtigste Leistung des Verfassers innerhalb der
bisher erschienenen Bände. Die Freunde der Kunstgeschichte haben ihm
sowohl für die grosse Bereicherung des stofflichen Materials, als für die
ächte philosophisch-historische Behandlung und Bestimmung desselben
sehr lebhaften Dank zu sagen. Die vielfache Unbequemliehkeit, die uns
die Beschäftigung mit dcr byzantinischen Kunst seither darbot, scheint mir
hier in beiden Beziehungen sehr glücklich beseitigt und somit ein Stück
kunsthistorischen Bodens sicher erobert, das doch von vielseitiger Wich-
tigkeit auch für andre, mehr oder weniger nah daran angrenzende Partieen
ist. Vortrefflich ist zunächst das ausführliche einleitende Kapitel, welches
eine Darstellung der kulturhistorischen Zustände des byzantinischen Rei-
ches giebt und hierin die uothwendig vorhandene, das Innerste des Lebens
berührende Mischung heidnischer und christlicher Elemente und die ebenso
nothwendige, mehr und mehr sich steigernde Ilinneigung zum Orientalis-
mus darlegt. Dies letztere erscheint hienach als der wesentliche Grund
jener byzantinischen Erstarrung in Leben und Kunst: der byzantinische
Staat aber hat hienach für das nachmals anhebende, eigenthümlich neue
Leben des Occidents die grosse Bedeutung, dem letzteren und seiner Kunst
nicht bloss die antike Tradition zu bewahren, sondern ihm zugleich von
Zeit zu Zeit orientalische Elemente, aber auch diese schon auf christlich-
europäische Weise verarbeitet, als nothwendigcs Ferment zuzuführen.
Die Besonderheiten, in welchen im byzantinischen Reiche selbst sich die
Architektur, sowie die Plastik und Malerei unter diesen Verhältnissen gc-
staltete, entwickelt der Verfasser in zwei folgenden Kapiteln; ausführlich
und doch gehalten geht der Verfasser näher auf diese Elemente ein. Für
die Architektur, wo neuerlich in Betreff der ravennatischen Werke durch
v. Quast vorgearbeitet war, giebt er insbesondere über die mit dem Bau
der Sophienkirche zu Constantinopel gleichzeitigen und über die späteren
Bestrebungen eine reichliche Anzahl charakteristischerNotizen, die auf solche
Weise bisher noch nicht benutzt waren. in dem Kapitel über Plastik und
Malerei setzt er zunächst die Feststellung, der kirchlichen Kunsttypen,
namentlich des Ohristusbildes, die gleichzeitig eintretende Richtung auf das
Historische (im Gegensatz gegen jene ältere Symbolik) und die Ausbildung
des Mosaikentypus auseinander, bei welchem letzteren der Verfasser nur
vieueicht etwas zu weit geht, wenn er alle dahin einschlagenden Bestre-
bungen unter der Rubrik der byzantinischen Kunst abhandelt. Hierauf
folgt eine Uebersicht des weiteren Verlaufs der letzteren, wobei vornehm-
lich die Rücksicht auf die Miniaturmalereien der Manuscripte und auf die
scharfsinnigen Bemerkungen Waßgelfs über dieselben maassgebend war.