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Berichte
und
Kritiken
Ktmstschriften noch nicht enthalten, für den vorliegenden Zweck erst her-
beizuschaden. Die Lust am Neubau pflegt in der Regel grösser zu sein
als die bei der angemessneren Einrichtung eines schon stehenden Gebäudes;
es scheint, dass auch unser Verfasser sich von einem solchen Eintluss der
Neigungen und ihres Wechsels nicht ganz frei gemacht hat. Der dritte
Band ist mit Eifer und demgemäss mit Kraft und Sicherheit durchgeführt;
er ist durchaus als eine höchst bedeutende Leistung zu bezeichnen; gele-
gentlich ist sogar (was auch der Verfasser zugeben und bevorworten muss)
im Stoftlitzhen ein wenig zu viel, in Rücksicht auf die Tendenz des Ganzen,
geschehen. Der zweite Band dagegen, so grosse Schönheiten er im Ein-
zelnen enthält, so bedeutend der Standpunkt ist, den der Verfasser auch
hier einnimmt, ist doch nicht ganz mit derselben Emsigkeit gearbeitet; der
Verf. hat sich hin und wieder zu sehr auf seine Vorarbeiter verlassen, er
hat deren Zuverlässigkeit nicht überall genügend geprüft. hat sich nicht in
den Besitz der sämmtlichen Mittel, die mit Nothwendigkeit erforderlich
sind, gesetzt, und ist somit mancher einseitigen Schlussfolgerung. mancher
ungenügenden und willkürlichen Darlegung nicht entgangen.
Der zweite Band zerfällt in drei Bücher, von denen das erste, „die
Kunst der Griechen" überschrieben, eine allgemeine Charakteristik dieser
Kunstweise giebt, das zweite die „Peri0den der griechischen Kunst." das
dritte die Kunst "der italischen Völker" enthält. Das erste Kapitel des
ersten Buchs, die "Religion und Verfassung Griechenlands," bezeichnet in
kurzer, aber charakteristischer Einleitung den Hauptpunkt, auf den es, wie
bei Betrachtung des griechischen Lebens überhaupt, so auch der griechi-
schen Kunst ankommt: die Unabhängigkeit der griechischen Moral von der
Religion und die gerade hiedurch erzeugte sittliche Würde des Volkes;
wegen Ausführung dieser, allerdings paradox klingenden Behauptung muss
ich auf den Verf. selbst verweisen. Drei folgende Kapitel behandeln go-
sondert die Architektur, die Plastik, die Malerei. ein fünftes das gegen-
seitige Verhältniss dieser Künste (z. B. Polychromie der Architektur und
Sculptur etc). Hier nun tritt mir zunächst der Anstoss, den ich an einigen
Theilen dieses zweiten Bandes nehmen muss, entgegen. Ich kann mich
mit der Weise, wie der Verf. die griechische Architektur auffasst und be-
handelt, nicht einverstanden erklären, so wenig in dem eben angedeuteten
zweiten Kapitel, als wo er hernach, bei der eigentlich geschichtlichen
Entwickelung, auf die einzelnen Architekturwerke zurückkommt. Der
Darstellung des zweiten Kataitels fehlt Präcisiou und Bestimmtheit. Die
Elemente der griechiseh-architektonischen Formenbildung sind nicht wohl
verstanden; die Gründe, welche zu der Ausbildung dieser Formen Veran-
lassung gaben, sind, zumal in Rücksicht auf die volksthümlich individuellen
Besonderheiten des dorischen und des ionischen Styles, nicht klar ent-
wickelt; das, was die Reinheit der griechischen Form, sogar im Gegensatz
gegen die römische, ausmacht, ist nicht durchweg beobachtet; die Kenntniss
der Monumente selbst und der gediegneren Werke, welche dieselben he-
handel", ist unzureichend. Ich mag das lange Register über das Einzelne.
Welches ich zur Erhärtung dieses so unumwunden ausgesprochenen 'l'adels
ßigeßtlml beibringen müsste, nicht hierher setzen, wo es eine so bedeu-
tende Reihenfolge wahrhaft gediegener Leistungen zu besprechen gilt. Ich
bitte um die Erlaubniss, das Kapitel unsers Verfassers über die griechische
Architektur, und was sich von da aus an Urthcilen in das Folgende hinein-
zieht, als nicht geschrieben betrachten zu dürfen, und nehme hievon vor-