Zur
der
Geschichte
Mittelalters.
des
Miniaturmalerei
Auswahl ein noch ausgedehnteres Feld darbieten. Was die Ausführung
betrifft, so sind die Blätter vorerst lithographirt; wo in den Originalen
eine Federzeichnung zu Grunde liegt, besteht die Lithographie aus ähnlich
scharfen Strichen, sonst sind es zumeist nur schwach angedeutete Umrisse,
ähnlich einer Bleistiftzeichnung. Darüber nun ist mit freier Hand die
Malerei ausgeführt, welche (lurchaus, sowohl der Farbenwahl als der ge-
sammten Behandlung nach, in den verschiedenen Arten der Vergoldung
und in allem sonstigen Schmuck. die Eigenthümlichkeit der Originale wie-
derholt. Wer sich ernstlicher mit den Miniaturen des Mittelalters beschäf-
tigt hat, wird hier mit vollster Ueberzeugung die genauesten FaßsimileS
derselben erkennen müssen. Ueberall gewähren sie den vollkommenstenr
Eindruck der Originale; die alten Künstler, welche die letzteren gefertigt
haben, scheinen in ihnen auf's Neue lebendig zu sein. Welche Mühen,
welche Versuche diesen Meisterarbeiten vorangegangen, wie die Künstler
zur Anfertigung solcher Copien auf ganz eigene Weise herangebildeusein
müssen, welche Sorgfalt bei der Herstellungjedes einzelnen Blattes, bei der
Behandlung der Sgthäuüg wechselnden und oft sehr kostbaren Materialien
nöthig ist, dies ergiebt sich dem Beschauer auf den ersten Blick. Nur die
Gründung eines ganz eigenthümlichen Institutes konnte ein solches Werk
möglich machen. Dass bei solcher Anlage der Preis des Werkes über alle
hergebrachten Verhältnisse hinausgehen muss, dass nur sehr reiche Privat-
personen (wie es deren vorzugsweise fast nur in England giebt), nur reich
dotirte öffentliche Institute dasselbe werden erwerben können, versteht
sich von selbst. Zur Förderung des Werkes ist von Seiten der königlich
französischen Regierung mit hochsinniger Liberalität eine Summe angewie-
sen worden, welche mit der Bedeutsamkeit des Werkes in Verhältniss steht.
Es erscheint in einzelnen Lieferungen, von denen 11 bereits vollendet sind.
Das nächste und allgemeinste Interesse, welches das in Rede stehende
Werk darbietet, ist das der künstlerischen Entwickelung des Mittelalters.
Damit aber verbinden sich noch viele andere, und auch auf diese ist bei
der Auswahl des Einzelnen durchweg Bedacht genommen. Für die ganze
Typik des Mittelalters, für die religiöse Anschauungsweise, für die kirch-
liche Symbolik, für die Darstellung von Costümen, Sitten und Gebräuchen,
für die Paläographie u. dgl. m. bieten sich hier nicht minder die reichhal-
tigsten und wünschenswerthesten Aufschlüsse, die durch die Vollkommen-
heit der Darstellungen wiederum um so vollkommener sein müssen. Mit
Einem Wort, das Werk des Grafen de Bastard weit entfernt, müssigem
Dilettantismus eine leere Unterhaltung zu bieten erfüllt seinen Zweck
in jedem Betracht. Es gewährt den Eindruck einer Gemäldegallerie, die
mit strengster wissenschaftlicher Kritik angeordnet ist und in der Sich keine
Lücke findet.
Aus den Blättern, welche der Graf de Bastard vorlegte, geht unmittel-
bar, wie im Vorigen angedeutet ist, die wissenschaftliche Bedeutung seines
Werkes hervor; es lässt sich somit schon von selbst erwarten, dass auch
der erläuternde Text, den er mit demselben verbinden wird, solcher Be-
deutung entsprechen werde. Ich freue mich, hinzufügen zu können, dass
nach Allem, was mir der Graf de Bastard mündlich über die Einrichtung
dieses Textes, über die Art und Weise der dazu aufgewandten, sehr aus-
gedehnten Studien, über die von ihm und seinen Mitarbeitern befolgte
Richtung mitgetheilt hat, ebenso das Gediegenste und Gründlichste zu er-
warten sein dürfte. Denn neben der vollkommenen Beschreibung und Er-