Madonna.
der Holbeinischen
Ueber die beiden Exemplare
479
fimden werden; verbunden mit den kühl röthlichen Lichtpartien in den-
selben Theilen der Carnation macht diese Behandlungsweise einen Eindruck,
der in gewissem Betracht schon an die Nachahmer der Italiener im löten
Jahrhundert erinnert.
Ein zweites Exemplar desselben Gemäldes, demDresdener Exemplar
in Grösse und Anordnung durchaus entsprechend, das aber in der kunst-
historischen Literatur nur erst beiläufig genanntist, befindet sich zu Berlin
im Besitz ihrer k. Hoheit, der Frau Prinzessin Marianne (Gemahlin Sr.
k. H., des Prinzen Wilhelm). Hirt hat dies Gemälde in seinen, im J. 1830
erschienenen „Kunstbemerkungen auf einer Reise über Wittenberg und
Meissen nach Dresden und Prag" (S. 16, Anm.) angeführt und demselben
ebenfalls die Holbeinische Originalität zugesprochen. ohne dabei entscheiden
zu wollen, welches von beiden Exemplaren das ursprüngliche und welches
die Replik sey; Nagler hat diese Notiz in sein Künstlerlexikon aufge-
nommen. Ich hatte schon mehrfach das Glück gehabt, das Berliner Ex-
emplar zu sehen, und war dabei immer auf den völlig entschiedenen Ein-
druck Holbeinischer Autfassungs- und Behandlungsweise hingeführt worden;
ich hatte indess vor eigener näherer Vergleichung und den zweihundert-
jährigen Autoritäten gegenüber, die für das Dresdener Bild sprechen, nicht
gewagt, mir ein defnnitives Urtheil über das Verhältniss zwischen beiden
Gemälden zu bilden. Jetzt eilte ich, unmittelbar nach der Rückkehr von
Dresden und mit dem frischen Eindrucke des dortigen Bildes, vor das
Berliner Exemplar, und fand mich nun in der That ungemein überrascht,
durchaus nichts von dem wahrzunehmen, was mir an dem Dresdener Bilde
als fremdartig entgegen getreten war. Das Berliner Bild erscheint im
vollsten Grade als ein Ganzes aus Einem Gusse. Die Behandlung ist
überall eine und dieselbe; statt jener grünlichen Schattentöne und der weiss-
röthlichen Lichtpartien erscheinen hier in der Carnation durchweg, ob auch
nach dem Charakter der einzelnen Gestalten modilicirt, nur die vollen,
tiefen Farbentöne, die im Schatten einen vrarmbräunlicheu Charakter ane
nehmen und die bekanntlich für die Periode der künstlerischen Thätigkeit
HülbelllS, in Welche die Ausführung dieser Composition fällt die Zeit
um das Jahr 1529 so bezeichnend sind. In demselben Maasse ist auch
die Gefühlsweise, die das Bild durchdringt, der in die dargestellten Per-
sonen gelegte geistige Ausdruck, vollkommen gleichmässig; insbesondere
hat der Kopf der Madonna, statt jener weicheren Anmuth, etwas Erhebe-
nercs, Würdevolleres, was in der That dem Gesammtcharakter des Bildes
und überhaupt der Kraft des Meisters mehr zu entsprechen scheint. Eigen-
lhümlich ist dem Berliner Bilde ausserdem noch die mit grossem Geschmack
ausgeführte Anwendung des Goldes in den Schmucktheilen der Gewänder,
in derselben Weise, wie Waagen eben dieser Ausstattung bei einigen
Holbeinischen Prachtwerken derselben Epoche, die sich in England befin-
den, gedenkt 1); namentlich sind auch die Unterärmel der Madonna hier
eben so, wie die an einem dieser Werke, dem Portrait Heinrichs VIII. zu
Warwickcastle, ganz mit goldenen Lichtern und braunen Schatten gemalt.
im Ganzen und in allen Einzelheiten trägt das Berliner Bild das Gepräge
der entschiedensten Meisterschaft und hat dabei zugleich das grosse Ver-
dienst, dass es, soviel ich wenigstens bei seiner gegenwärtigen Aufstellung
Wahrnehmen konnte, in völligungetrübter Reinheit erhalten ist.
und
Kunstwerke
Künstler
England II.
2642
368.
und