Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

deutschen 
der 
Zur Geschichte 
Mittelalter, 
Kunst im 
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Aber wir finden, dass die Details, wo das ästhetische Gefühl eine reichere 
Gliederung forderte, in _der Pfeilerformation des. Innern, fllld besonders in 
den Deek- und Fussgesimsen der Pfeiler und _Saulen sowie in den Kranz- 
und Fusgggsimsell des Aeussern u. s. w., mit einem Lebensgefühl, mit einer 
Schönheit des elastischen Schwunges gebildet sind,_ die nothwendig ein 
schon vollendetes Stadium architektonischer Entwickelung bezeichnen. 
Ebenso bemerken wir in den ornamentistischen Zierden, besonders der 
Kapitale, eine Leichtigkeit, eine harmonische Durchbildung, selbst schon 
ein zierlich elegantes Spiel, dass wir hierin mit gleicher Nothwendigkeit 
das Endresultat solcher Entwickelung vor uns sehen. Ja, bei aller. Klar- 
heit in der Ggsammtangl-dnung fehlt es selbst nicht an einzelnen Willkür- 
lichkeiten, die bereits auf eine beginnende Ausartung hindeuten. Dahin 
rechne ich die gesetzwidrige zahnförmige Verzierung, die in dem südlichen 
Giebel des Querschilfes an den Giebelgesimsen emporsteigt, das rauten- 
förmige Fenster mit seinem Lilienschmiick in demselben Giebel und das 
incongruente Verhältniss des Fensters zu den Giebelgesimsen. Dahin ebenso, 
und noch mehr, den obersten Theil der östlichen 'l'hürnie, soweit diese 
überhaupt dem alten Bau angehören. Hier sehen wir unter dem Haupt- 
gesims einen rundbogigen Fries, und unter diesem einen zahnföi-migen Fries 
hinlaufen, eine Tautologie der Formen, die schon auf direktem Missver- 
ständniss beruht, die sich aber ähnlich an spätromanischen Bauten des 
Niederrhcines wiederholt. Man wird allerdings einwerfen, der gesammte 
Oberbau dieser Thürme könne füglich jünger sein, als der Körper des 
Gebäudes, und ohne Zweifel wird er erst nach dessen VOÜEDÖUDg zur 
Ausführung gekommen sein; dennoch zeigt seine ganze Gestaltung um 
Uebrigen so wenig stylistische Verschiedenheit von Jenem, dass W]l' ihn 
wenigstens einer noch durchaus nahe liegenden Bauperiode zuschreiben 
müssen. 
Die Kunstgeschichte, wie alle Geschichte, bildet eine Wissenschaft, 
die mehr will als leere Namen und Jahrzahlen zusammenhäufen; sie will 
den Organismus des Lebens aufsuchen und ihn durch die verschiedenen 
Momente seiner Entwickelung verfolgen. Gehen wir von solchem Stand- 
punkte aus, wie wir doch wohl nicht anders können, so können wir auf 
keine Weise zugeben, dass eine. Ausbildung der eben angedeuteten Art, 
die in sich schon völlig abgeschlossen ist und die sich sogar bereits der 
Entartung zuneigt, einer Periode des Mittelalters angehöre, die für die be- 
züglichen Verhältnisse fast noch gar keine Vergangenheit hat, die vielmehr 
Selbst noch, wie andere genügend gesicherte Beispiele darthun, auf der 
Stufe einer halb barbarischen Rohheit steht. Wo wären für den Anfang 
des 11. Jahrhunderts die Vorstufen zu finden, die zu einer also vollendeten 
Ausbildung hinüberführten? Halten wir an andern gesicherten Bei- 
Spielen fest, so müssen wir Jahrhunderte weiter schreiten, um den ent- 
sprechenden Zeitraum zu tinden, und wir können in der That nur den 
Anfang des 13tcn Jahrhunderts als die Periode bezeichnen, in welcher die 
älteren Theile des Naumburger Domes aufgeführt sind. Die Uebereinstim- 
Inung der Details mit denen urkundlich sicherer Gebäude aus dieser Zeit 
ist hiefüi- völlig entscheidend. Einige Beispiele der letzteren habe ich in 
Nr. 73 des Kunstblattes für 1842 aufgeführt. 
Ich bin sogar der Ansicht, dass dieser Neubau des Domes mit der 
Hinzufügung des westlichen Ohores als eine gemeinsame, zusammenhängende 
Unternehmung betrachtet werden muss, dass man nämlich gleich beim Be-
	        
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