Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Berichte und Kritiken. 
auch diese durchweg in vollständiger Licht- und Schattenwirkung behan 
delt. So dient der reiche Wechsel dieser Blätter dazu, uns in dem Gebäude 
heimisch zu machen und mit Liebe auf seine merkwürdigen Einzelheiten 
näher einzugehen. Ein Grundriss dient zur Orientirung, in Betreff auf die 
Gesammtanordnung des Gebäudes; zahlreiche Profile von den Details archi- 
tektonischer Gliederungen, zur Seite des Grundrisses und auf einem beson- 
dern Blatte enthalten, geben das Zugeständniss, dass auch diese Theile 
der architektonischen Ausbildung in nähere Erwägung gezogen werden 
müssen. 
Ich kann hier indess einen Tadel nicht unterdrücken, den mir der 
verehrte Herausgeber im Interesse der Sache, um die es sich handelt, ver- 
zeihen möge. Der Tadel ist schon in den wenigen Worten angedeutet:  
die Mittheilung der Profilzeichnungen bildet nur ein Zugeständniss, 
Bei weitem der grösste Theil von ihnen ist so klein gehalten, dass man 
höchstens nur sieht,_ was für Glieder an den betreffendenStellen enthalten, 
keineswegs aber, mit welchem Gefühle, mit welchem Geiste dieselben ge- 
bildet sind. Waskann es z. B. nutzen, ein aus acht Gliedern zusammen- 
gesetztes Deckgesims (Faf. 26, 9) in der Höhe von ungefähr fünf Linien 
dargestellt zu sehen? ist es möglich, dabei über den Charakter dieser Glie- 
der, über ihren Schwung, ihre Spannung, ihre Elasticität nur irgend ein 
Urtheil zu fällen? Und doch ist gerade dies fast der wichtigste Punkt, 
wenn es sich um die nähere Würdigung eines architektonischen Werkes, 
und namentlich, wenn es sich um seine kunsthistorische Würdigung han- 
delt. Das Werk der Architektur stellt ein organisches Ganzes, das inner- 
lich von Leben erfüllt ist, dar. _Die_Kraft aber, die Fülle, die Gediegen- 
heit und Reinheit, das Bewusstsein ÖIGSGS. Lebens, - überhaupt; die Stufe, 
welche der Organismus des Werkes einnimmt, zeigt sich naturgemäss da, 
wo die Masse sich in bewegten Formen detaillirt, namentlich in den Ueber- 
gängen aus einem Theile in den andern; ganz in der Weise, wie es bei 
allen andern Organismen der Fall ist, wie in den Blatt- und Blüthenkel- 
chen der Pflanze, in den Gelenken und den Gesichtsformen der mensch- 
liehen Gestalt, in den Beugungen und Wendungen der Sprache u. s. w. 
Die Architektur ist auch eine Sprache, und die charakteristische Eigen- 
thiimlichkeit der. einzelnen architektonischen Erscheinung beruht vor Allem, 
wie bei dieser, in dem Vermiigen der Beugungsfähigkeit überhaupt, dann 
in der besondern Weise, wie sich die letztere an den betreifenden Punkten 
aufliegt. hBBl E1161? läildlitäqhenwDaiävtellung vor; Architelkturen, zum Behufe 
as e isc er un is orisc er ür i un , ist a so vorne mlich hierauf Rück- 
sicht zu nehmen und durch Darsfellitigngen in entsprechendem Maassstabe 
eine genügend belehrende Anschauung zu gewähren. Erst nach den eigent- 
lichen Gliederungen kommen die ornamentistischen Theile, in denen sich 
dasselbe Vermögen in freieren, mehr spielenden Formen kund giebt, Ich 
äiliälllälgitillgenldelili veranlasst sein, auf die Wichtigkeit dieser Punkte noch 
zu e ren. 
 Von dem östlichen, im spätromanischen Style ausgeführten Lettner 
wird uns ein geometrischer Aufriss, in Linienzeichnung, nebst einigen cha- 
Iakterlstlschen Details vorgeführt; das Werk, das durch spätere Bauverän- 
derungen theilweise gelitten hat, sehen wir hier in ursprünglicher Vollstän- 
digkeit und Eigenthümlichkeit vor uns. Der westliche, frühgermanische 
Lettner iSil auf mehreren Blättern dargestellt, ebenfalls in geometrischen 
AufIiSSßßi auch in einem Durchschnitte, aber zugleich in vollständiger
	        
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