452"
Berichte und Kritiken.
Zur
Geschichte
der
deutschen
Kunst
im
Mittelalter.
(Kunstblatt 1844 , No.
49
Unter den zahlreichen Baudenkmalen, welche sich in den thüringis ch-
sächsischen Gegenden aus der früheren und späteren Zeit des Mittel-
alters, aus den Perioden des romanischen und germanischen Styles erhal-
ten haben, ist der Dom von Naumburg als eines der bedeutendsten und
interessantesten hervorzuheben. Das Gebäude imponirt ebenso durch gross-
artige Verhältnisse und malerisch wirksame Composition, wie durch Rein-
heit des Styles in seinen verschiedenen Theilen und tüchtige solide Ans-
führung; auch schliesst dasselbe mehrere sehr bemerkenswerthe bildnerische
Denkmale in sich ein. Für die kunsthistorische Forschung giebt der Dom
in mehrfacher Beziehung die wichtigsten Anknüpfungspunkte; doch bedarf
es für die chronologische [Feststellung seiner verschiedenen Theile einer
gründlichen und bis in das Einzelne durchgeführten Kritik. Jüngster-
schienene ausführliche Mittheilungen und bildliche Darstellungen in Bezug
auf den Dom geben uns eine erwünschte Gelegenheit, näher auf ihn ein-
zugehen und anderweitige Bemerkungen über entsprechende Verhältnisse
der kunsthistorischen Entwickelung daran anzuknüpfen. Dies sind die
neueren Hefte der „Denkmale der Baukunst des Mittelalters in
Sachsen, bearbeitet und herausgegeben von Dr. L. Puttrich." Die
Lieferungen 9-14 der zweiten Abtheilung dieses Werkes. welche die
Denkmale der preussischen Provinz Sachsen umfasst, behandeln den Dom;
sie bilden ein zusammenhängendes Ganze, dessen besondrer Inhalt durch
einen Separattitel angegeben wird: „Der Dom zu Naumburg, beschrie-
ben und nach Anleitung urkundlicher Quellen archäologisch erläutert von
C. P. Lepsius, königl. preuss. Geh. Regierungsrath; mit einigen Zu-
sätzen über andere, mittelalterliche Bauwerke dieser Stadt herausgegeben
von Dr. L. Puttrich."
Zur allgemeinen Charakteristik des Domes möge zunächst das Folgende
dienen. Die Hauptmasse des Gebäudes, das Schiff und Querschid, sind in
eleganter spätromanischer Weise, im Innern mit vorherrschend spitzbogigen
Wölbungen, mit geschmackvollen Profilirungen und Laubornamenten aus-
geführt: ebenso die ausgedehnte Krypta unter dem östlichen Chore (deren
mittlerer Theil jedoch älter ist und das Gepräge strengeren romanischen
Styles trägt) und die älteren Theile des auf der Südseite belegenen Kreuz-
ganges. Gleichzeitig hiemit sind zwei Thürme auf der Ostseite der Kirche,
wenig jünger die Thürme auf ihrer Westseite oder doch der vorzüglichst
charakteristische Theil des einen dieser Thürme (des nördlichen), indem
der andere (der südliche) sich nicht über das Kirchendach erhebt. Dem
HauPtSChilT der Kirche schliesst sich sodann auf beiden Enden ein Chor-
bau an- Der westliche Chor trägt das Gepräge des germanischen (gothi-
Stillen) Ballftyles in dem ersten Stadium seiner Entwickelung, und bildet
ein sehr wichtiges Beispiel für dies Moment der deutschen Kunstgeschichte;
der östllchß Chor, über der alten Krypta. sich erhebend, aber mit seinem
4) Leipzig,
Hxrsch. Fol.
auf Kosten
bei Friedlein
Commission
des Herausgebers , in
und