450
Berichte und Kritiken.
als Maler und Zeichner, sondern auch als Architekt und Figurist ausge-
zeichnet gewesen; als den Besitzer der damals bedeutendsten Kunstwerk-
stätte in Nürnberg, aus der die mannigfaehsten Holzsehnitzarbeiten in alle
NVelt gegangen. Als erhaltene Werke seiner Hand zählt er auf: seinen
Altarschrein in Schwabach, seinen Christus in Rottweil und einen zweiten
in der Sebalduskirehe zu Nürnberg, seine Madonna in der dortigen Kunst-
schule, seinen Rosenkranz in der Kirchenkapelle auf der Burg und den
englischen Gruss in St. Lorenz, ebendaselbst. An ihn habe man sich auch
wegen der Fertigung eines Modells zu dem Sebaldusgrabe gewandt; die
Zeichnung dazu (5 Fuss hoch) sei indess auf ein Werk von 60 Fuss Höhe
berechnet gewesen, darum aber die Ausführung zu kostbar, und das Ganze
sei mithin, als P. Viseher die Arbeit übernommen, in dem Maasse verklei-
nert und verkürzt worden, wie wir es gegenwärtig kennen; dabei sei dann
nicht bloss der Styl der Figuren verändert, sondern auch die ursprünglich
vorgeschriebene rein gothische architektonische Bekrönung, diese nicht zum
Vortheil des Ganzen, weggelassen worden. Ueberhaupt sei es V. Stoss
gewesen, der für die Giesshütte P. Vischer's die Modelle geliefert, wenn
solche aus Holzgefertigt sein mussten; daher der so ganz abweichende
Styl mancher Werke, die dem P. Viseher zugeschrieben werden, von denen
aber nur der Guss sein Eigenthum sei. Zu diesen, somit der ganzen Com-
position und Behandlung nach dem V. Stoss angehörig, zählt der Heraus-
geber das Grabmal des Erzbischofs Ernst von Magdeburg, in dem dortigen
Dome, und die Grabmäler des Grafen Hermann VIII. nebst seiner Gemah-
lin Elisabeth und des Grafen Otto IV. zu Römhild. Wenn dagegen die
Modelle aus Wachs gearbeitet wurden, so seien dieselben in P. Vischefs
eigener Werkstatt, von ihm selbst oder von seinem talentvollen Sohne
Hermann, gefertigt worden; der Herausgeber zählt auch von diesen, ihrem
abweichenden Style gemäss, mehrere auf. Wir empfehlen diese Bemer-
kungen der Aufmerksamkeit aller, die sich für die Geschichte der vater-
ländischen Kunst interessiren, und hoifen, hierüber bald noch ausführ-
lichere Darlegungen zu erhalten. Als andere Notizen von besonderer
Wichtigkeit sind schliesslich noch die über die zerstörte Katharinenkirche
von Esslingen, ein Werk des Matthäus Böblinger aus der späteren
Zeit des 15ten Jahrhunderts, und über die Arbeiten des Georg Syrlein,
bei Gelegenheit einiger Schnitzarbeiten aus Blaubeuren und Ulm, hervor-
zuheben.
Ein Unternehmen von so gründlicher und solider Anlage, das von
kunstwissensehaftlieher Basis aus so meisterlich lebendige Anschauungen
darbietet, kann nicht anders als auf's Fördersamste anregend in die Stre-
bungen der Zeit eingreifen. Wir sehen den folgenden Mittheiluugen, zu
denen in den Sammlungen des Herausgebers ohne Zweifel das reiehhaltigste
Material vorliegt, mit regster Erwartung entgegen.