Die Ornamentik
Mittelalters.
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uns einmal mit vaterländischem Hauche anweht, zu erfreuen und zu kräf-
tigen, und Elemente aus ihr in uns aufzunehmen, die vor vielen andern
ihre Geltung behaupten. Das oben genannte Werk hat es vorzugsweise
mit dieser alten Kunst unserer Heimat zu thun; der Name des Heraus-
gebers, der als einer der ersten Kenner derselben allgemein bekannt ist,
verbürgt von vorn herein die meisterliche Lösung der Aufgabe.
Das Werk bringt die verschiedenartigsten GegenStäIldß der mittelalter-
lichen Ornamentik in durchaus charakteristischen Abbildungen. Zunächst
Verzierungen von Gebäuden, Säulenkapitäle und Basen, Friese, verzierte
Schlusssteine, Füllungen u. "s. w. Dann selbständige "Werke ornamentaler
Kunst von Stein oder Holz, in denen sich Architektonisches und Bi1dneri-
Sches inniger mischen, 'l'aufsteine, Gebet- und Chorstühle, Tabernakel und
Aehnliches, in ganzer Darstellung oder in einzelnen, besonders interessan-
ten Details. Dann Verzierungen, die sonst bei Gegenständen des Gebrauches
für edlere Lebensmomente angewandt sind, in Metall getriebene oder eise-
lirte, in Holz geschnitzte, in Leder gepresste, gemalte, gewürkte u. s. w.
Die verschiedenen Zeiten und Geschmacksrichtungen des Mittelalters, von
der ernsten und strengen Weise in der Frühzeit des romanischen (so-
genannt byzantinischen) Styles bis zu der gaukelnd spielenden Weise in
der Spätzeit des germanischen oder gothischen, sind hiebei gleichmässig
vertreten.
Die Darstellungen sind durchaus nach Originaldenkmalen des Mittel-
alters genommen; Nichts erscheint etwa als moderne Composition mittel-
alterlichen Styles. Ebenso sind auch die Aufnahmen durchaus original,
grösseren Theils von dem Herausgeber selbst gezeichnet, einzelne Blätter
aber auch von andern tüchtigen Architekturzeichnern, deren Namen im
Texte an den betreffenden Stellen angeführt werden. Dann ist zu bemerken,
vdass die dargestellten Gegenstände bisher fast durchweg unedirte waren, so
dass wir hier fast lauter Neues dargestellt erhalten; nur ein Paar Stücke
finden sich schon in andern Werken über mittelalterliche Kunst abgebildet;
aber auch diese sind keineswegs überflüssig, da sie hier, ganz abgesehen
von ihrer etwaigen Wichtigkeit für den Plan des Herausgebers, in besserer
Aufnahme und Darstellung erscheinen. Was die Lokalitäten anbetrifft,
denen die abgebildeten Denkmäler angehören, so liegt es in der Natur
der Sache, dass diejenigen Punkte am reichlichsten bedacht sind, die in
unmittelbarer Beziehung zu den persönlichen Verhältnissen des Heraus-
gebelg Stehen. Bei weitem die überwiegende Mehrzahl der in dem vor-
liegenden ersten Bande enthaltenen Denkmäler gehört theils der ursprüng-
lichen Heimat des Herausgebers, Schwaben, theils der Gegend seiner
späteren und gegenwärtigen Wirksamkeit, Franken, an. Nur einige wenige
Stücke sind in Sachsen, Thüringen, Oesterreich, sowie in Frankreich (in
Paris, Bouen und Rheims) befindlich.
Wenn der letztere Umstand den" Kreis der bisherigen Mittheilungen
etwas eng erscheinen lassen sollte, so haben sie dafür zunächst nicht bloss
das schon eben erwähnte Verdienst der Neuheit, sondern das noch viel
grössere, dass sie durchgehend Gegenstände von charakteristischer Eigen-
thümlichkeit und von entschieden künstlerischem Gepräge behandeln, und
dass der künstlerische Werth derselben zum Theil auf sehr hoher Stufe
Steht. Es sind Gegenstände, die die Geschmacksrichtung der verschiede-
nen Zeiten auf sehr gediegene Weise vertreten. Der Werth einer nicht
ganz unbeträchtlichen Anzahl dieser Abbildungen erhöht sich auch noch