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Berichte und Kritiken.
wie überzeugend. Dem dritten Kapitel ist ein Anhang mit ausführlichen
nantiquarischen Bemerkungen über den Salomonischen 'l'empel" beigefügt.
Auch dieser Aufsatz, der mit Sorgfalt alle einzelnen Daten über das viel
besprochene Gebäude in Erwägung zieht, enthält viel Belehrendes und
Interessantes, namentlich durch die kritische Bezugnahme auf die jüngeren
Notizen, die wir über den Bau besitzen. Hier mögen ein Paar Gegenbe-
merkuugen erlaubt sein. Der Verfasser sucht S. 268 die Ansicht durch-
zuführen, dass der Tempel nicht bloss im Inneren, sondern auch im
Aeusseren mit Holzgetäfel und Goldschmuck bedeckt gewesen sei. Die
wichtigste Beweisstelle ist ihm dafür V. 29 im 6. Kap. des ersten Buchs
der Könige (nicht, wie man aus seiner Anführung fast schliessen könnte,
im zweiten Buch der Chronik, wo nichts der Art steht). Aus der ganzen
Fassung scheint mir jedoch ziemlich überzeugend hervorzugehen, dass das
Inwendig und Auswendig, wovon an jener Stelle die Rede ist, auf das
Innere des Allerheiligsten und auf den vor demselben befindlichen heiligen
Vorraum bezogen werden müsse. Dann nimmt der Verfasser, ohne Zweifel
richtig, über dem Allerheiligsten eine Oberkammer an, vermuthet aber,
dass die letztere gegen den heiligen Vorraum offen gewesen sei, dass man
mithin von dort aus in die Oberkammer habe hineinsehen können. Diese
Vermuthung stützt er besonders auf das, was im ersten Buch der Könige.
8. Kap, V. 8, über die Stangen der Buudeslade gesagt wird. Er nimmt
an, dass man die Stangen aus der Lade herausgenommen und aufrecht
hingestellt habe, dass aber der Raum des Allerheiligsten zu niedrig ge-
wesen sei, dass man in Folge dessen die Decke mit einem Loche versehen
und durch dieses das Obertheil der Stangen hindurchgesteckt habe, so
dass sie in die Oberkammer hinaufgereicht hätten und vonadem heiligen
Vorraume aus sichtbar gewesen seien. Diese Auslegung ist indess wohl
allzu künstlich, als dass man ihr Beifall schenken könnte, und um so
weniger, als der 7. Vers ebendaselbst mit ihr in direktem Widerspruche
steht, indem es dort heisst, die Stangen der Lade seien durch die Flügel
der Gherubim von oben her bedeckt gewesen. Die Ausdrücke über die
Stangen in V. 8 bleiben allerdings etwas seltsam, aber wir müssen ja
auch ohnedies bei diesem Bau, wo uns alle Anschauung fehlt, so manches
Bäthselhafte hinnehmen. Die grossen Erzsäulen des Tempels betrachtet der
Verfasser als Denkmale, die vor demselben isolirt aufgestellt waren, eine
Ansicht, die auch mir als die angcmessnere erscheint; er hält es aber für
unpassend, die sieben Kettengewinde und die Reihen von 200 Granatäpfeln,
von denen in der Beschreibung der Säulenknäufe gesprochen wird, als
unmittelbares Ornament der Kuäufe zu betrachten. Er meint vielmehr, dass
dies ein Schmuck war, welcher von den Knäufeu nur ausging und sich
dann um das Tempelhaus herumzog, indem er zugleich zur Befestigung
des äusseren hölzernen Täfelwerks diente. Die Ansicht ist- zum Theil
vielleicht nicht übel, wenn wir auch das Letztere mit der mehr als zwei-
felhaften Existenz dieses Täfelwerkes dahingestellt lassen müssen. Könnte
man aber hiebei nicht vielleicht eine ähnliche Einrichtung vermuthen. wie
bei den Spitzsäulen vor dem paphischen Tempel, die bekanntlich in eini-
gen alten Darstellungen auf Münzen u. dergl. durch ein Gewinde verbun-
den erscheinen?
Das vierte Buch behandelt die "Kunst der Aegypter." Das erste Ka-
pitel, über die Natur des Landes und den Charakter des Volkes, giebt
uns wiederum eine sehr treftliehe Einleitung; die Schilderung ist durchaus