Geschichte
des
bildenden Künste.
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des letzteren im Kunstblatt (1841, Nr. 97 ff. und 1842, Nr. 27 ü.) geggben;
es fügt sich, dass wir jetzt die Rollen tauschen. Ich trug zwar im ersten
Augenblick Bedenken, 0b ich auch meinerseits das Amt des Kritikers über-
nehmen dürfe, da Herr Schnaase mir die Freude bereitet hat, mit Sein
Buch zu widmen; es konnte leicht vorausgesetzt werden, dass mein Urtheil
sich in Folge dessen minder unbefangen, als etwa in andern Fällen, äus-
sern möchte. Indess hat das Publikum meinen Arbeiten und Bestrebungen
so manche Gunst zugewandt, dass ich dieser freundlichen Stimmung auch
jetzt zu vertrauen wage; Herrn Schnaase denke ich meinen besten Dank
durch vollkommene Aufrichtigkeit des Urtheils zu bezeugen.
Das Zueignungsschreiben des Buches, welches zugleich als Vorrede
dient, giebt Auskunft über das Ziel, welches der Verfasser sich bei seiner
Arbeit gesteckt, und über das Verhältniss derselben zu meinem Handbuche.
Der Verfasser deutet an, dass beiden Werken, trotz der Gemeinsamkeit
des Inhalts, der die Geschichte der Kunst als ein zusammenhängendes
Ganzes umfasst, dennoch ein wesentlich verschiedener Zweck zu Grunde
liegt. Während ich bemüht war, eine möglichst klare Uebersicht zu geben,
das Ganze in charakteristisch gesonderte, doch sich gegenseitig bedingende
Gruppen zu zerlegen und alle wichtigeren Einzelheiten mit möglichst ge-
nügender kritischer Sichtung an den betreffenden Stellen einzureihen,
mit einem Worte: ein Buch für den Handgebrauch beim Studium zu lie-
fern, sei seine Absicht mehr auf die allgemeinen Bezüge der Entwickelung
der Kunst in ihrer historischen Erscheinung gerichtet gewesen. Wie die
Kunst einer jeden Zeit der Ausdruck der physichen und geistigen, sittlichen
und intellektualen Eigenthümlichkeiten des Volkes sei, wie der Kunstsinn
sich mit den sonstigen Lebenselementen durchdrungen habe, wie die Kunst
der verschiedenen Völker eine bleibende Tradition darstelle, dies nachzu-
weisen bilde die Hauptaufgabe seines Werkes. Worauf ich nur in Einlei-
tungen hingedeutet, sei ihm die Hauptsache geworden; unsere beiden
Werke. statt einander anzuschliessen, ergänzten sich somit gegenseitig.
Indem ich diess Letztere entschieden bestätige, kann ich dem Plane,
der Absicht des Verfassers überhaupt, nur meinen vollkommensten Beifall
schenken. Wer, wie ich, die tausendfältig wiederkehrende Schwierigkeit
empfunden hat, ein so viel gegliedertes Ganzes zu bewältigen und dasselbe
der wissenschaftlichen Auffassung näher zu rücken, muss es jedenfalls mit
der lebhaftesten Freude wahrnehmen, wenn dieselbe Arbeit von einem
andern, oder vielmehr von einem entgegengesetzten Standpunkte aus un-
ternommen wird. Dies kann der Wissenschaft nur die erheblichste Förde-
rung bringen; die nothwendige Einseitigkeit der einen Richtung muss durch
die der andern aufgehoben und solcher Gestalt eine wiederum freiere und
umfassendere Auffassung angebahnt werden. Dass aber Herr Schnaase zu
einem Werke, wie das von ihm begonnene, vorzugsweise berufen ist, wird
Jedem, der an den neueren kunsthistorischen und kunstwissenschaftlichen
Strebungen Deutschlands näheren Antheil genommen hat, der mithin auch
den Werth der "Niederländischen Briefe" kennt, hinlänglich einleuchtend
sein. Der klare und besonnene philosophisch-historische Geist, der dieses
Buch erfüllt, giebt hinreichende Gewähr, dass der Verfasser auch die gegen-
wärtige, zwar bei weitem ausgedehntere Arbeit ihrem Plane gemäss durch-
führen wird.
Aber auch ganz abgesehen von der Verschiedenartigkeit des Planes
zwischen dem Werke des Herrn Schnaase und dem meinigen, muss ich die