Denkmäler bildender
Kunst in
Lübeck.
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auch ausdrücklich bezeichnet ist. Wir betrachten dies, in Ermangelung
anderweitiger Nachricht über die Beschaffenheit des Werkes, als charak-
teristische Bezeichnung des Lokales, in welchem die Arbeit gefertigt wurde
und welches ohne allen Zweifel die reiche und betriebsame Hansestadt
Lübeck selbst war. Die drei folgenden Tafeln geben nun einzelne Theile
der kleineren Darstellungen, welche diese Grabplatte schmücken. Sie sind
dem Originale nicht nachgezeichnet, sondern mit Formen gedruckt, welche
der Herausgeber unmittelbar von dem letzteren genommen hatte. Dies
sinnreiche Verfahren führt uns also gewissermassen das Original selbst
vor, und wir werden dadurch befähigt, über dasselbe und seine Eigen-
thümlichkeiten und Besonderheiten ganz wie aus eigener Anschauung zu
urtheilen.
Die zweite Grabplatte (Taf. V.) ist in der Marienkirche befindlich und
enthält die Gestalten des Bürgermeisters Tidemaun Berk, von dem die
Inschrift besagt, dass er im J. 1521 gestorben sei, und seiner Gemahlin.
Wir haben es hier mit der Kunst einer beträchtlich vorgerückten Zeit zu
thuu, die uns auch der Styl der Arbeit, obschon beide Gestalten höchst
einfach gehalten sind, bezeugt. Merkwürdig ist, dass hier, während die
Contoure allerdings wiederum sehr stark gehalten sind, doch zugleich eine
schraftirte Schattirnng zur Modellirung der Gestalten angewandt ist, ein
Verfahren, das übrigens bei gravirten Bronzeplatten dieser späteren Zeit
nicht ohne Beispiel ist, wie sich z. B. eine andere der Art im Naumburger
Dome voründet. Buntes Teppichornament und Wappen mit reichen Zier-
den füllen den Grund hinter und über den Gestalten aus. Die Platte hat
eine breite Einfassung, auf der sich in geschwungenen Linien ein Band
mit der Inschrift herumzieht. Zwischen den Schattirungen des Bandes bil-
den sich kleine Felder, in denen besondere Darstellungen kleineren Maass-
stabes enthalten sind: die verschiedenen Momente des menschlichen Da-
seins von der Geburt bis zum Tode, in naiver Gemüthlichkeit aufgefasst
und durch Spruchbänder mit Reimversen erläutert. Hiedurch erhält die
ganze Platte wiederum einen sehr eigenthümlichen und reichen Charakter.
Ihr unterer Theil, etwa von den Knieen der Hauptfiguren abwärts, ist lei-
der abhanden gekommen. Einzelheiten derselben hat der Herausgeber nicht,
wie bei der vorigen Platte, auf besondern Tafeln mitgetheilt.
Der Text enthält eine kurze Erläuterung der Darstellungen, mit An-
gabe der, zum Theil schwierig lesbaren lnschriften. Im Vorwort spricht
Sich der Verfasser des Textes über den grossen Kunstreichthum Lübecks,
der in früherer Zeit noch ungleich bedeutender war, aus, bemerkt aber,
dass wir über die Namen der Verfertiger kaum irgend eine besondere
Kunde haben. Doch theilt er aus Urkunden zahlreiche Namen von Künst-
lern mit, die im Mittelalter in Lübeck ansässig waren, sowie das Jahr, in
dem ihre Namen vorkommen: Steinmetzen, Baumeister, Ziegeler, Glas-
arbeiter, Bildgiesser, Goldschmiede, Maler und Bildschneider (die, was für
die Beschaffung der mittelalterlichen Schnitzaltäre nicht unwichtig ist. als
Eine Klasse aufgeführt werden) und Seidenwirker.
Die Mittheilungen dieser ersten Lieferung vermehren das Material der
Vaterländischen Kunstgeschichte, wenn zunächst auch nur in engerer Be-
ziehung, so doch bereits auf sehr erfreuliche Weise, indem gerade auf die
Technik des Gravirens in grossen Bronzeplatten, deren Anwendung und
Ausbildung, bisher nur erst geringe Aufmerksamkeit gewandt ist. Wir
Kugler, Kleine Schriften. II. 28