Trachten des
christlichen
Mittelalters.
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Benennungen, Form der Inschriften, künstlerischer Styl und Alles, was
sonst, der heutigen schärferen Kritik entsprechend, zur sicheren Zeit-
bestimmung eines Kunstwerkes in Betracht kommen kann , ist hiebei sorg.
fältig in Erwägung gezogen, und der Grund solchen Verfahrens überall
(largelegt. Mit gleicher Sorgfalt ist die Verschiedenheit der Tracht bei den
verschiedenen Geschlechtern, Lebensaltern, Ständen und Beschäftigungen
beobachtet, überhaupt Alles gethan, um eine vollständig klare Einsicht in
die Darstellung zu geben. Wo es nöthig ist, sieht man mithin eine Figur
oder einzelne Theile einer solchen von verschiedenen Gesichtspunkten
aus dargestellt, auch kleinere Details des Kostüms im vergrösserten Maass-
stabe wiederholt. Was die Nationalität anbetriiit, so wiegt natürlich die
Darstellung deutscher Monumente vor; doch fehlt es auch keineswegcs an
englischen, französischen, italienischen u. a. Denkmalen Das Werk cr-
scheint in zwei Ausgaben, die eine in Umrissen, die andere sorgfältig ko-
lorirt. Für den Gebrauch der ersteren giebt der Text allen nöthigen Nach-
weis über die Farben, wie überhaupt der Text in Alles, was das Ver-
ständniss der Darstellungen anbetritit, wesentlich näher einführt.
Ein Seil! bedeutender Vorzug des Hefnefschen Werkes besteht ferner
darin, dass der künstlerische Styl jedes einzelnen Monumentes, mag das-
selbe auch noch einer sehr rohen Epoche der künstlerischen Entwickelung
angehören, auf's Getreueste wiedergegeben ist. Freilich entbehrt das Werk
dadurch, namentlich in seiner ersten Abtheilung, jener bequemeren An-
muth, die so manche der neueren französischen Kostümwerke, in welchen
das Material gleich nach den Bedingnissen einer freieren Kunstweise um-
gebildet ist, wohlgefälliger erscheinen lässt. Doch liegt ein äusseres
Wohlgefallen der Art wohl nicht füglich im Plane solcher Werke. Viel-
mehr muss es dem Künstler und Jedem, der mit Ernst ein historisches
Kostümstudium. beginnen will, höchst wichtig sein, an die reine unver-
fälschte Quelle geführt zu werden; ihm selbst kommt es ja erst zu, dies
Material für weitere Zwecke zu verarbeiten. Ich glaube, für die Richtig-
keit dieses Princips, die zu klar zu Tage liegt, bedarf es keiner weiteren
Motivirung. Wohl aber gewinnt das Werk hiedurch noch einen zweiten,
sehr bedeutenden Nutzen, den nämlich, dass es, indem es die stylistischen
Unterschiede der verschiedenen Epochen auf's Klarste darlegt, zugleich
der kunsthistorischen Anschauung und dem kunsthistorischen Studium in
vortheilhafter und reichhaltiger Weise entgegenkommt. Die Zeichnungen,
in Umrissen und zum Theil in leichter Schattirung ausgeführt, tragen
überall das Gepräge der grössten Treue; auch der Stecher, C. Regnier,
hat sich mit Geist und Gefühl den verschiedenen Stylformen glücklich an-
zuschmiegcn gewusst; besonders in den späteren Lieferungen der einzelnen
Abschnitte erscheint seine Arbeit in ansprechender meisterlicher Sicher-
bei; In der kolorirten Ausgabe ist nicht minder die charakteristische
Vortragsweise der verschiedenen Epochen beachtet worden.
Es ist mit Zuversicht zu hotfen, dass ein so wohl angelegte und bes
reits zu so erfreulichen Erfolgen gediehenes Werk der nöthigen Theil-
nahme von Seiten des Publikums nicht entbehren, dass es nicht, wie so
manch ein schönes deutsches Unternehmen, als unvollendeter Torso ab-
brechen werde, dass vielmehr dem Herausgeber Muth und Freude erhal-
ten bleibe, um auf der eingeschlagenen Bahn immer weiter vorschreiteu
zu können.