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Berichte und Kritiken.
ren faltenreichen Mantel des l2ten Jahrhunderts zu bekleiden, kümmert sie
Wenig. Nomina sunt odiosa.
So wenig das Studium der Anatomie oder das der Perspective für
den bildenden Künstler als Pedanterie bezeichnet werden darf, eben so
wenig das des Kostüms. Wir haben somit Alles, was dies letztere Stu-
dium begünstigt und fordert, was ihm ein dem Zwecke entsprechendes
Material darbietet, mit entschiedenster Anerkennung willkommen zu
heissen. Vor Allem das in der Ueberschrift genannte Werk, das, soweit
es bis jetzt vorliegt und soweit sein Plan, die {Frachten des christlichen
Mittelalters" umfassend, sich erstreckt, bei weitem als das sorgfaltigste
und zuverlässigste Unternehmen solcher Art zu bezeichnen ist. Was wir
in Deutschland seither an Werken der Art besassen, darf hier kaum in
Betracht kommen; theils sind diese Arbeiten fragmentarisch und ohne ge-
nügende Kritik zusammengetragen, theils betreffen sie nur sehr vereinzelte
Abschnitte, wie z. B. Engelhardfs Mittheilungen aus dem Hortus deliciarum.
Umfassendere Bedeutung haben fast nur die Kostümwerke der Franzosen,
aber auch diese sind theils nicht genügend, theils nicht durchweg zuver-
lässig. So sind die 17 dicken Foliobände des "Costume ancien et moderne"
von Ferrario in vielfacher Beziehung kaum zu gebrauchen; so bedarf es
bei der Benutzung von Willemins sonst sehr schätzenswerthen "Monuments
iuedits" oft der grössten Vorsicht; und kaum dürfte sich unter den übrigen
ein Werk finden, welches den "Costumes des 13., 14. et 15. siecles" von
Bonnard, allerdings einem sehr meisterlichen Werk, an Verdienst irgend
gleichkäme. Aber auch Bonnard's Kreis ist beschränkt; und überdies sind
in den französischen Kostümwerken die französischen Monumente vorzugs-
weise benutzt, die deutschen vorzugsweise vernachlässigt. Diesen Mangel
wollen wir jedoch nicht beklagen, da er eben durch deutsche Werke,
denen zugleich die französischen Quellen ferner liegen dürften, vortheil-
haft zu ersetzen ist.
Das Werk des Herrn von H efn er (in Aschaffenburg) umfasst das
ganze Mittelalter, vom Ende der Römerherrschaft bis zum Ende des löten
Jahrhunderts. Es ist in drei Abtheilungen getheilt, deren erste die Trach-
ten von den ältesten Zeiten biszum Ende des 13ten Jahrhunderts, die
zweite die des 14ten und löten, die dritte die des 16ten Jahrhunderts
enthält. Die verschiedene Anzahl der Jahrhunderte für die verschiedenen
Abtheilungen erklärt sich dadurch, dass für die früheren Zeiten ungleich
weniger Quellen vorhanden sind, als für die späteren, und dass in jenen
ausserdem ein ungleich langsamerer Wechsel des Kostüms stattfindet, als
in diesen. Bis jetzt liegen von der ersten und dritten Abtheilung 6, von
der zweiten 7 Lieferungen vor, jede Lieferung aus sechs Kupferblättern
und dem zugehörigen erläuternden Texte bestehend; ausserdem noch eine
besondere Lieferung, welche Titel und Vorwort des Ganzen, nebst einer
einleitenden Uebersicht über die Geschichte der Trachten des Mittelalters
enthält, und in letzterer die nöthigen Gesichtspunkte zur richtigen Be-
"nheilung alles Einzelnen giebt. Die bildlichen Darstellungen sind 011116
AllSllßllme Originalzeichnungen nach gleichzeitigen Denkmalen der Kunst,
nach SFUIPYIIYQD der mannigfaltigsten Art, namentlich Grabsteinen, nach
Mßlßfelßn an Wänden, auf Tafeln, in Fenstern, in Manuscripten u. s. w.,
naßh Zeichnungen von Holzschnitten, sowie vornehmlich auch nach erhal-
tenen Kostümstücken und Geräthschaften. Mit grosser Genauigkeit ist auf
die richtige Zeitbestimmung gesehen; vorhandene Jahrcsbezeichnungen oder