Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Berichte 
und 
Kritikan. 
und freien, gemessenen Adel der Formeubildung. Seine Gesammtltöhc 
beträgt 385 rheinische Fnss.  
Die ganze Weise der Composition, welche an der oberen Hälfte des 
Thurmes angewandt ist, und so auch die Weise der Formenbilrlung ge- 
hören übrigens bereits einem vorgerückten Stadium der Entwickelung des 
gothischen Baustyles an, gewiss nicht mehr dem 13ten Jahrhundert, sou- 
dern bereits dem 14ten. Ob aber etwa der ersten oder der zweiten Hälfte 
desselben, dies muss ich einstweilen dahingestellt lassen. Man könnte 
veranlasst werden, mit Bestimmtheit auf die erste Hälfte des 14ten Jahr- 
hunderts zu schliessen, da sich neben der nördlichen Thür des Chores 
eine Inschrift findet, des Inhalts, dass zu dem Neubau des Chores im Jahre 
1354 der erste Stein gelegt sei, und da man hieraus zunächst folgern dürfte. 
dass von dieser Zeit ab die Bauthätigkeit für die Aufführung des Clmrrs 
in Anspruch genommen sei. Doch hat die genannte Grundsteinlegting die 
wirkliche Aufführung des Chores noch nicht zur Folge gehabt, indem 
diese erst nach mehr als hundert Jahren, besonders unter Leitung des 
Meisters Hans Niesenberger von Grätz, der 1471 in den Dienst der Stadt 
Freiburg trat, erfolgt ist; die Einweihung des Chores wurde erst im Jahre 
1513 vorgenommen, Einzelnes an seinen Kapellen sogar noch später voll- 
endet. Es ist nicht unmöglich, dass, nachdem zu dem Chore der Grundstein 
gelegt war, eine neue Bauführung vorerst zur Fortsetzung und Vollendung 
des Thurmbaues Anlass gab und dass man sich dann erst zu dem Chorbau 
zurückwandte, wodurch sich wenigstens jene auffallende Zögerung in der 
Ausführung des letzteren erklären würde. Indess wage ich, wie bemerkt, 
hierüber für jetzt noch keine Entscheidung abzugeben. 
Der Chor dehnt sich, wie der Grundriss ergiebt, weit. und geräumig 
hin, dem Vorderschiff des Münsters vergleichbar und von einem reichen 
Kapellenkranze umgeben. Seine Höhe übersteigt die des Vorderschitfes 
noch um mehrere Fuss, so dass das Innere dem Auge des Beschauers eine 
grossartige Perspective entfaltet, die leider nur durch die niedrigeren 
Schwibbögen des alten Querschitfes beeinträchtigt wird. Die Formen des 
Chores vergegenwärtigen uns die letzte Entwickelungszeit des gothischen 
Styles. Die Pfeiler seines Innern steigen eigenthümlich schlank und leicht 
empor; aus ihnen lösen sich oberwärts im bunten Spiele die Gurte und 
Rippen eines reichverschlungenen Netzgewölbes los. Die Fenster sind in 
wechselnden Formen, zum Theil schon abweichend von dem edleren Grund- 
princip des gothischen Styles, gebildet. Die Strebebögen, die von den 
Strebepfeilern des Umganges gegen die Oberwände emporgeschlagen sind, 
überbieten an spielender Leichtigkeit und Freiheit die Strebebögen des 
VorderschiHes.  Gleichzeitig mit dem Bau des Chores scheinen auch die 
kleinen alterthümlichcn Thürme zu den Seiten des Querschides ihre leicht 
durchbrochene Bekrönung erhalten zu haben. 
Noch ist zu bemerken, dass der Münsteruansser dem reichhaltigen 
Interesse, Welches seine Architektur darbietet, auch die mannigfachsten 
Schätze bildender Kunst enthält. Er ist mit zahlreichen Sculpturen ge- 
schmückt, die besonders die Vorhalle unter dem Thurm auszeichnen. 
Maneherlei Schnitzwerk findet sich im Innern vor. Die Fenster sind mit 
den reichhaltigsten Glasmalereien ausgefüllt. Die 'l'afelmalerei zeigt sich 
an grossräumigßll Meisterwerken von Hans Baldung und Hans Holbein d. j. 
Doch verstattet uns weder der Raum noch der Zweck unsrer Blätter ein
	        
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