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Berichte und Kritiken.
digere Grundform der Säule hat. Diese minder schöne Pfeilerbildung ist
dann im Freiburger Münster auch für die späteren 'I'heile des Vorder-
schiiies beibehalten worden. Den primitiv gothischen Charakter tragen an
jßllßll, dem QUCTSChifTC Zunächst benachbarten Theilen des Vorderschides
ausserdem die Fenster, die sehr einfach, zum Theil sogar roh gebildet
sind, sowie die Strebepfeiler. Zu bemerken ist ferner, dass das Vorder-
schiff gleich im Beginn beträchtlich höher, als das Querschiff, und die
Seitenschiife desselben in auffallender Breite angelegt wurden.
Dem weiteren Verlaufe des 13ten Jahrhunderts gehören die übrigen
Theile des Vorderschiffes bis zu dem Thurm auf der Westseite an. Das
Prineip der Anlage ist hier im Allgemeinen das eben geschilderte, aber
die Ausbildung der Formen ist ungleich edler, leichter und reicher. Das
Stabwerk der Fenster ist in zierlich geschmackvoller Weise, mit reichen
und doch fest in sich zusammengehaltenen Rosetten gebildet. Die Strebe-
pfeiler der Seitenschitfe gipfeln sich, leicht und sicher zugleich, zu taber-
nakelartigen Thürmchen empor und stützen die leichten, an ihrem Ober-
theile von Rosetten durchbrochenen Strebebögen, die zum Mittelschiiie,
dessen Gewölbe zu unterstützen, hinübergeschlagen sind.
Auch die untere Hälfte des Thurmbaues dürfen wir als gleichzeitig
mit diesen späteren Theilen des Vorderschiifes annehmen. Abweichend
von der gewöhnlichen Anlage, die an der Facade des kirchlichen Gebäu-
des zwei Thürme über den westlichen Enden der Seitenschilfe anzuordnen
pflegt, tritt hier nur ein starker Thurm, in der Breite des Mittelschiifes
und in der Flucht desselben, vor dem Körper des Gebäudes vor. Der
Thurm bezeichnet für dies Gebäude zunächst die Vorhalle der Kirche,
die er in seinem unteren Geschosse in sich einschliesst. Die Vorhalle ist
nach der Vorderseite in ihrer ganzen Breite olfen, die Oeiinung spitzbogig
überwölbt und miteinem bildgeschmückten Giebel gekrönt. Eine reich-
gegliederte Thür, _mit zahlreichen Bildwerken versehen, führt aus der
Vorhalle in die Kirche. Im Uebrigen ist der gesammte Untertheil des
Thurmes sehr einfach gehalten, und nur die kleinen Tabernakel über den
Absätzen seiner starken Streben bringen seine Erscheinung in Harmonie
mit der reicheren Dekoration des Schiffes. Für die Bauzeit dieses unteren
Thurmtheiles ist es nicht unwichtig, zu bemerken, dass sich am linken
Strebepfeiler der Vorhalle, neben andern öffentlichen Bestimmungen, die
Umrisse des Brodmaasses vom J. 1270 eingegraben finden l).
Die obere Hälfte des Thurmes bezeichnet wiederum ein neues Stadium
der Bauführung. Im Gegensatz gegen die Einfachheit der unteren Hälfte
sehen wir hier die reichste Pracht des gothischen Styles entwickelt; ein
neuer Meister, eine neue Leitung, ein neuer Plan treten uns hier ent-
gegen. Dass der Obertheil des Thurmes, wie er vor uns steht, nicht be-
reits im ursprünglichen Entwurfe der gesammten Thurmanlage vorgebildet
War, beweist vornehmlich der Uebergang des einen Theiles in den andern.
Die Vgrusse Glocke des Thurmes ist; zufolge ihrer Umschrift im J. 1258
gegossen werden. Dass sie damals bereits an ihre gegenwärtige Stelle, im oberen
Theile des Tburmes, gekommen sei, ist eine willkürliche Annahme. Wurde sie
in der That Gleich nach ihrem Guss im Thurme aufgehängt, so konnte ihr auch
eillß einstweilige Stelle im zweiten Geschoss des unteren Theiles angewiesen sein.
Sie konnte aber bis zur "Vollendung des Baues ebenso gut auch, wie sonst häuüg
genug, in einem hölzernen Glockenharlse neben der Kirche aufgehängt werden.