Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Berichte und Kritiken. 
digere Grundform der Säule hat. Diese minder schöne Pfeilerbildung ist 
dann im Freiburger Münster auch für die späteren 'I'heile des Vorder- 
schiiies beibehalten worden. Den primitiv gothischen Charakter tragen an 
jßllßll, dem QUCTSChifTC Zunächst benachbarten Theilen des Vorderschides 
ausserdem die Fenster, die sehr einfach, zum Theil sogar roh gebildet 
sind, sowie die Strebepfeiler. Zu bemerken ist ferner, dass das Vorder- 
schiff gleich im Beginn beträchtlich höher, als das Querschiff, und die 
Seitenschiife desselben in auffallender Breite angelegt wurden. 
Dem weiteren Verlaufe des 13ten Jahrhunderts gehören die übrigen 
Theile des Vorderschiffes bis zu dem Thurm auf der Westseite an. Das 
Prineip der Anlage ist hier im Allgemeinen das eben geschilderte, aber 
die Ausbildung der Formen ist ungleich edler, leichter und reicher. Das 
Stabwerk der Fenster ist in zierlich geschmackvoller Weise, mit reichen 
und doch fest in sich zusammengehaltenen Rosetten gebildet. Die Strebe- 
pfeiler der Seitenschitfe gipfeln sich, leicht und sicher zugleich, zu taber- 
nakelartigen Thürmchen empor und stützen die leichten, an ihrem Ober- 
theile von Rosetten durchbrochenen Strebebögen, die zum Mittelschiiie, 
dessen Gewölbe zu unterstützen, hinübergeschlagen sind. 
Auch die untere Hälfte des Thurmbaues dürfen wir als gleichzeitig 
mit diesen späteren Theilen des Vorderschiifes annehmen. Abweichend 
von der gewöhnlichen Anlage, die an der Facade des kirchlichen Gebäu- 
des zwei Thürme über den westlichen Enden der Seitenschilfe anzuordnen 
pflegt, tritt hier nur ein starker Thurm, in der Breite des Mittelschiifes 
und in der Flucht desselben, vor dem Körper des Gebäudes vor. Der 
Thurm bezeichnet für dies Gebäude zunächst die Vorhalle der Kirche, 
die er in seinem unteren Geschosse in sich einschliesst. Die Vorhalle ist 
nach der Vorderseite in ihrer ganzen Breite olfen, die Oeiinung spitzbogig 
überwölbt und miteinem bildgeschmückten Giebel gekrönt. Eine reich- 
gegliederte Thür, _mit zahlreichen Bildwerken versehen, führt aus der 
Vorhalle in die Kirche. Im Uebrigen ist der gesammte Untertheil des 
Thurmes sehr einfach gehalten, und nur die kleinen Tabernakel über den 
Absätzen seiner starken Streben bringen seine Erscheinung in Harmonie 
mit der reicheren Dekoration des Schiffes. Für die Bauzeit dieses unteren 
Thurmtheiles ist es nicht unwichtig, zu bemerken, dass sich am linken 
Strebepfeiler der Vorhalle, neben andern öffentlichen Bestimmungen, die 
Umrisse des Brodmaasses vom J. 1270 eingegraben finden l). 
Die obere Hälfte des Thurmes bezeichnet wiederum ein neues Stadium 
der Bauführung. Im Gegensatz gegen die Einfachheit der unteren Hälfte 
sehen wir hier die reichste Pracht des gothischen Styles entwickelt; ein 
neuer Meister, eine neue Leitung, ein neuer Plan treten uns hier ent- 
gegen. Dass der Obertheil des Thurmes, wie er vor uns steht, nicht be- 
reits im ursprünglichen Entwurfe der gesammten Thurmanlage vorgebildet 
War, beweist vornehmlich der Uebergang des einen Theiles in den andern. 
 Die Vgrusse Glocke des Thurmes ist; zufolge ihrer Umschrift im J. 1258 
gegossen werden. Dass sie damals bereits an ihre gegenwärtige Stelle, im oberen 
Theile des Tburmes, gekommen sei, ist eine willkürliche Annahme. Wurde sie 
in der That Gleich nach ihrem Guss im Thurme aufgehängt, so konnte ihr auch 
eillß einstweilige Stelle im zweiten Geschoss des unteren Theiles angewiesen sein. 
Sie konnte aber bis zur "Vollendung des Baues ebenso gut auch, wie sonst häuüg 
genug, in einem hölzernen Glockenharlse neben der Kirche aufgehängt werden.
	        
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