Der
Münster
von Freiburg im Braisgau,
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I-lauptformen seiner Anlage, und mehr noch die Art und Weise, in W61-
eher hier die Details gebildet sind, tragen entschieden das Gepräge der
Spätzeit des romanischen Siyles, d. h. des Anfanges des 13ten Jahrhunderts,
wie in solcher Art eine bedeutende Anzahl gleichzeitiger Gebäude spät-
romanischen Styles am Niederrhein vorhanden istl). Im Innern, in der
Mitte des Querschiffes, sind vier starke, reichlich mit l-lalbsäulen geglie-
derte Pfeiler durch starke spitzbogige Schwibbögen verbunden, über denen
sich eine achtseitige Kuppel emporwölbt. Im Aeusseren ist diese Kuppel
nicht bemerkbar, da sie durch das spätere Dach verdeckt wird. An der
edeln Dekoration der Giebel des Querschiifes herrscht die Form des Rund-
bogens vor; die Details, besonders die der Thür auf der Südseite, sind
hier in eleganter romanischer Weise gebildet. An das Querschiif schliessen
sich auf der Chorseite, und zwar über den Seitenschiden, ein Paar kleine
Thürme an, die in ihrem Haupttheile ebenfalls noch die Formen des
romanischen Styles tragen, später jedoch mit sehr zierlichen gothischen
Spitzen gekrönt sind.
Dem Bau des Querschiifes schliesst sich zunächst der des Vorder-
schiifes an. Die frühesten Theile desselben, die ohne Zweifel zuerst isolirt
emporgeführt wurden, sind die beiden nächsten Pfeilerpaare nebst den
entsprechenden Fenstern und Strebepfeilern. Es scheint, dass zwischen
der Vollendung des Quersehiiies und dieser Fortsetzung des Baues keine
sonderlich lange Zeit vergangen war; man wird den Beginn des Vorder-
schiiles, nach anderweitigen Aknalogieen, mit Grund in das zweite Viertel
des 13ten Jahrhunderts setzen können. Dies aber war die Zeit, in wel-
cher die Formen des gothischen Baustyles, der in Frankreich bereits das
Stadium seiner ersten, primitiven Entwickelung durchlaufen hatte, nach
Deutschland herübergetragen wurden. So sehen wir statt der romanischen
auch hier die gothischen Formen angewandt, die letzteren aber noch in
strenger Bildung und noch keinesweges gänzlich befreit von den Princi-
pien des romanischen Styles. In letzterem Betracht ist namentlich die
Pfeilerformation im Inneren in Anregung zu bringen; sie befolgt ganz das
Vorbild jener Pfeiler in der Mitte des Querschilfes. d. h. es ist eine Zu-
sammenhäufung von Halbsäulen über einer viereckigen Grundform, während
der eigentlich gothische Pfeiler von früh an (wie in den älteren franzö-
sischen Kathedralen der Art, in der Liebfrauenkirche zu Trier, in der
lülisabethkirche zu Marburg, im Dome zu Köln u. s. w.) die runde, leben-
1) Wenn man als Beweis für das frühere Alter des Münsters, oder wenig-
Stens seiner ältesten Theile, den Umstand anfiihrt, dass in ihm bereits im Jahr
1146 der h. Bernhard das Kreuz gepredigt habe, so kann sich dies sehr füglich
auch auf ein Gebäude oder auf Bautheile beziehen, von denen Nichts mehr vor-
handen ist. Vielleicht war ursprünglich, wie das so oft vorkommt, nur der Chor
gebaut, dem erst in der angenommenen späteren Zeit, im Anfange des läten
Jahrhunderts, das Querschifl: als Fortsetzung des Baues hinzugefügt wurde. We-
nigstens liegt es in den Bedurfxiissen des kirchlichen Gottesdienstes, dass bis zu
dem sehr späten Bau deS_ gesfällwartlgen Chores ein älterer vorhanden sein musste.
Dann wird als Beweis fur den frühen Beginn der ältesten gothischen Theile
des Münsters der Umstand hervvrgehobßll, dass sich dort bereits das Grabmo-
nument des im J. 1218 verstorbenen Herzogs Berthold V. voriindet. Man hat
dabei aber ganz übersehen, dass (119 Figur des Herzogs auf diesem Monumente
ßin Kostüm trägt, welches der SPätem" Zeit des 14ten Jahrhunderts angehört;
dass das Monument mithin erst lanäß Zeit nach seinem Tode gefertigt ist.