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Kritikßll.
Berichte und
sammtcharakter der Werke bekannt zu machen, durch gefällige Darstellung
auch das grössere Publikum darauf hinzuleiten, und etwa nur das Wich-
tigste von den Einzelheiten, je nach ihren Mitteln, zur näheren An-
schauung zu bringen, mit einem Worte: mehr anzuregen, als die eröffnete
Untersuchung sofort auch abzuschliessen. Zum vollkommenen Studium
aber gehören, natürlich nächst den Darstellungen des Ganzen und seiner
Haupttheile, auch Darstellungen all und jedes Details (die der architektoni-
schen Gliederungen im Pro fildurchschnitt), und zwar in solcher Grösse, dass
man alle Besonderheiten der Formation aufls Genaueste verfolgen könne.
Die Werke über griechische Architekturen (wie diß von der Gesellschaft
der Dilettanti herausgegebenen und Inwood's Erechtheion], in denen uns
z. B. die feinsten Nüaneen der Säulenkapitäle gegeben werden, sind als
die sehicklichsten Vorbilder zu bezeichnen. Solche Werke haben wir
auch, und noch dringender, über gothische Gebäude nöthig, und vornehm-
lieh über die, in denen sich die reinste Entwickelung des Styles ausspricht.
Die ungleich grössere Mannigfaltigkeit des Details im Gothischen würde
dabei natürlich eine ungleich grössere Ausbreitung erforderlich machen;
es würden aber die Kosten der Herstellung in sofern nicht über das er-
schwingbare Maass hinausgehen, als es nicht auf schattirte Abbildungen,
sondern nur auf Umrisszeichnungen ankäme, welche letzteren für ein
strenges Studium vollkommen genügen und meistentheils sogar, wegen ihrer
grösseren Deutlichkeit, vorzuziehen sind.
Keins aber unter allen Denkmalen des gothischen Baustyles hat so
nahen Anspruch, in einem Werke dieser Art behandelt zu werden, als
der Dom von Köln; kein Werk würde einen so günstigen Einfluss auf das
Studium der Architektur auszuüben geeignet sein, als das, in welchem
dies Gebäude mit all seinen Einzelheiten bis zur vollkommensten Genüge
dargestellt wäre. Wir besitzen über den Kölner Dom zwar bereits das
grosse Prachtwerk von Boisseröe, und Niemand gewiss erkennt das, was
der Herausgeber darin geleistet hat, bereitwilliger an, als der Unter-
zeichnete; aber gerade das Detail und das Charakteristische desselben ist
darin nicht so erschöpfend behandelt", wie es unbedingt nöthig gewesen
wäre; es ist dies ein Mangel, den tausend Umstände zu entschuldigen
dienen, der aber dennoch ausgesprochen werden muss. Wir brauchen für
das architektonische Studium ein neues, ein vollkommen umfassendes
Werk über den Dom von Köln, ein Werk, das die vorhin ausgesprochenen
Anforderungen vollständig erfülle. Möge der Herausgabe desselben denn
möglichst bald die günstige Gelegenheit entgegenkommen! Ich sage ab-
sichtlich: "der Herausgabef" denn eigentlich ist dazu schon Alles vor-
bereitet, mit einer Vollständigkeit, Umsicht und Genauigkeit, wie der-
gleichen wohl kaum einem ähnlich reichen Bauwerke zu Theil geworden
ist. Ich meine hiemit die Risse des Gebäudes und seiner sämmtlichcn
Theile bis in das geringste Detail hinab, die behufs der Restauration und
des Fortbaues unter der Leitung des jetzigen Dombaumeisters, des Herrn
ZWim 91', gefertigt sind. In diesen Blättern liegt ein unsehätzbares Ma-
terial da, welches nicht blos dem einen Werke des Dombaues, welches der
allgemeinen Kunstbildung unserer Zeit zu Gute kommen sollte; ein Ma-
terial, (1381 allgemein zugänglich gemacht, gewiss aufs Allerwesentlichste
zur kräftigeren Anregung jenes Studiums dienen wurde, dessen nnabweis-
liehe Nothwendigkeit ich vorhin angedeutet habe. Möge die günstige Ge-
legenheit bald kommen!