Kölner Dom.
Ueber den
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der Art die Kathedralen von Salisbury und Lißhüßld, 318 ein spätgothisches
die Kathedrale von York genannt zu haben. So findet sich der Mittel-
thurm zuweilen auch bei französisch-gothischen Gebäuden, wie z. B. an
den Kathedralen von Coutances und Bayeux und an der Kirche St. Ouen
zu Rouen; aber er hat auch hier stets, mehr oder weniger, etwas Lasten-
des; er steht auch hier, wie reiches Ornament im Einzelnen angewandt
sein möge, nicht in einem organischen Zusamrnenhange mit dem Ganzen,
und überhaupt ist sein Vorhandensein hier schon nicht mehr als gesetz-
liche Regel zu betrachten. In Deutschland, wo wir die reinsten Beispiele
des gothischen Baustyles besitzen, ist der Mittelthurm höchst selten; vor-
züglich wichtig scheint in diesem Betracht nur die Katharincnkirche von
Oppenheim; doch erhebt der Thurm, was nicht überflüssig zu bemerken
sein dürfte, sich hier über den ältesten, noch in einem schlichteren Style
gehaltenen Theilen des Gebäudes. Bei vielen deutsch-gothischen Gebäu-
den wird der Durchschneidungspunkt von Qncr- und Langschiff nur durch
ein kleines, dekorativ gehaltenes Thürmchen bezeichnet. Als besonderer
Grund für die Anwendung eines eigentlichen Mittelthurmes an dem Dome
von Köln dürfte nur die bedeutende Stärke der vier Mittelpfeiler im Inneren
anzuführen sein; doch scheint es, dass dieselbe schon durch die mehrfache
Spannung der Gewölbe, die sich hier begegnen, bedingt war, wie dies ins-
gemein bei Kreuzkirchcn (u. a. bei der Elisabethkirche zu Marburg) der
Fall ist. Dass aber der eben angeführte constructive Grund zugleich auch
ein Grund für die nothwendige Aufführung des Thurmes sei (um nämlich
die vier Pfeiler noch stärker zu belasten und dadurch noch fester zu ma-
chen), wie der Verfasser Seite 90 ausspricht, dies möchte auf das genannte
Verhältniss wiederum zu viel Gewicht legen.
Ich halte den Mittelthurm nicht für unbedingt nothwendig, und ich
glaube, dass ein kleines dekoratives Thürmchen, wie eben angedeutet, zur
charakteristischen Bezeichnung des Durchschnittspunktes schon wesentlich
wirksam sein würde. Dabei bin ich jedoch weit entfernt, die ungleich
kräftigere, ungleich mehr malerische Wirkung eines eigentlichen Thurmes
an jener Stelle zu läugnen, obgleich es sehr schwierig sein dürfte, ihm, in
Rücksicht auf seinen gegebenen nicht unbeträchtlichen Durchmesser, das
nöthige mittlere Höhenmaass zwischen, den Haupthürmen nnd dem Lang-
bau der Kirche zu geben. Der Verfasser hat in seiner Restauration dies
Höhenmaass mit gewiss richtigem Takt herausgefunden; mir aber scheint
es, dass der Thurm an sich ein schlankeres Verhältniss, somit eine grös-
sere Höhe, mit gleicher Nothwendigkeit in Anspruch nimmt; die ganze
Harmonie in dem Organismus des Gebäudes scheint es auf's Dringendste
zu fordern, dass namentlich der Helm des Thurmes ähnlich schlank empor-
steige, wie die Helme der Mittelthürme, während der Verfasser ihm einen
unglgigh gtumpferell, somit schwereren Helm gegeben hat. Ueberhaupt aber
dürfte es höchst nöthig sein, den ganzen Mittelthurm, der sich ohne ein
festes Basamellt aus den Dächern erhebt, vorzugsweise leicht, fast möchte
ich auch hier sagen, dekorativ zu behandeln, was in der Darstellung des
Verfassers auch in anderer Beziehung nicht der Fall ist. Er lässt ihn in
vorherrschend viereckiger Form bis zur Höhe der Dachürste emporsteigen,
und setzt ihm dort erst daS aßhteekige Obergeschoss auf; diese viereckige
Grundform giebt ihm in der That etwas von der Schwere der Mittelthürme
englischer Kirchen. Mir Scheint es ungleich vortheilhafter, hier__ das Bei-
spiel der besseren Mittelthürme romanischer Kirchen und des oben erwähn-