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Berichte und
Kritiken.
die grössere Einfachheit der Aureliuskirche aber wird dabei durch den
Zwischenraum von 30-40 Jahren genügend erklärü).
Fast noch interessante,- 31g die eigentliche Kirche von Paulinzelle ist
jener schon erwähnte ausgedehnte Vorbau an ihrer Vorderseite. Dieser
gehört jedoch nicht der ursprünglichen Anlage an, Sondern ist, wie sich aus
äusseren unzweideutigen Kennzeichen erglebt, sammt dem brillanten Por-
tale, welches aus ihm in die Kirche führt, erst später angefügt worden.
Das Portal hat an seinen schrägen Seitenwänden _]e vier schlanke freistehende
Säulen, deren Kapitäle, in ihrer Hauptform denen der Kirche ähnlich, mit
phantastischen Figuren verziert, doch auch noch roh gearbeitet sind. l)ar-
über erhebt sich der vielfach gegliederte Halbkreisbogen, der das Portal
überwölbt und dessen Formation auf die spätere Zeit des romanischen Sty-
les hindeutet. Die Vorhalle selbst besteht aus einem Mittelschiff mit zwei
Seitenschiifen, ähnlich denen der Kirche, die hier aber nicht durch Säulen-,
sondern durch Pfeilerstellungen getrennt werden. Auf jeder Seite stehen
zwei Pfeiler zwischen den entsprechenden Wandpfeilern. Begrenzt wurde
die Halle durch zwei starke viereckige Thürme auf den anderen Ecken, von
denen aber nur noch der eine erhalten ist. Die Pfeiler der Halle sind vier-
eckig, mit in die Ecken eingelassenen Stäben und Halbsäulchen, eine
Bildungsweise, die wiederum der spätromanischen Bauzeit entspricht und
z. B. an den Kirchen von Bürgeln und Wechselburg in Sachsen wieder-
kehrt; die Halbkreisbögen über den Pfeilern haben dieselbe Gliederung.
Ueber den letzteren, der Höhe des Portales entsprechend, läuft ein, aus ein-
fachen Rundstäben bestehendes Gesims hin. Dies diente, wie sich aus noch
vorhandenen Balkenlöchern aufs Deutlichste crgiebt, einer Balkendecke zur
Unterlage, so dass mithin die Vorhalle eine, im Verhältniss zur Kirche nur
geringe Höhe hatte und dass über derselben, wie die weiter emporsteigen-
den und mit Fenstern versehenen Mauern bezeugen, eine obere Halle an-
geordnet war. Aus letzterer öffnete sich eine kleine Arkadenreihe, Welche
oberhalb des Portales hinläuft, nach dem Inneren der Kirche.
In der, von Hrn. Direktor Ranke und mir verfassten „Geschichte und
Beschreibung der Schlosskirche zu Quedlinburgu etc. habe ich Gelegenheit
gehabt, eine Reihe von älteren, am Ncrdrande des Harzes belegenen Basi-
liken zu besprechen; ich bin dabei zu der Bemerkung veranlasst worden,
dass die Anlage einer Loge auf der Westseite der Kirche, gegen das Innere
derselben durch Arkaden geöffnet, als ein integrirender Theil dieser Bauten
betrachtet werden muss. Doch habe ich überall diese Loge nur als einen
Bautheil von verhältnissmässig geringer Tiefe (etwa der Breite der Seiten-
schiffe gleich oder doch nur wenig breiter) befunden. Die Anlage einer
Loge von so bedeutender Ausdehnung dagegen, wie die obere Halle vor
der Kirche von Paulinzelle zeigt, muss nothwendig aus ganz besonderen
Bedürfnissen hervorgegangen sein. Ich meine indess, den Grund in den
Verhältnissen des Klosters gefunden zu haben. Es war zugleich ein Mönchs-
Ilnd ein Nonnenkloster, und die Kirche diente beiden zur Abhaltung des
Gottesdienstes. Wie aber häufig genug bei so bedenklichen Einrichtungen
geschah, wird man ohne Zweifel auch hier die Gemeinschaft der Mönche
1J_V81- (1611 Aufsatz von Krieg v. Hochfelder: über „die alten Gebäude im
ehemahgen Kloster Hirschau," in Mann's Anzeiger zur Kunde der teutschen
Vßfleitv 1335, S. 101 ü; 259 ff. und die dazu gehörigen Tafeln. (Der Verf.
nimmt übngells 1161MB AnStaud, die Reste der Aureliuskirche noch dem J. 839
zuzuschreiben.)