Zur
wder deutschen Kunst im Mittelalter.
Geschichte
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Ich hatte Gelegenheit, einen Theil der treiilichen Zeichnungen und Ab-
drücke des Hrn. Milde, namentlich die für das erste Heft bestimmten, Zn
sehen und mich von der verschiedenartigen Wichtigkeit dCY Mittheilungen,
die uns hier bevorstehen, zu überzeugen. Das erste Heft wird zunächst die
Zeichnung einer grossen ehernen Grabtafel aus dem Dome von Lübeck
dem 14ten Jahrhundert angehörig, auf welcher eine reiche bildliche Dar-
stellung gravirt ist ohne Zweifel das grossartigste Werk solcher Art,
welches auf unsre Zeit gekommen bringen; sodann Abdrücke von den
kleineren auf dieser Tafel enthaltenen Darstellungen, diemit Formen,
welche Hr. Milde unmittelbar vom Originale genommen, gefertigt sind, die
somit ein völlig eigenthümliches Interesse gewähren; endlich eine Ansicht
der Katharinenkirche, die als ein geschmackvolles Beispiel des entwickelt
gothischen Backsteinbaues erscheint. Für die folgenden Hefte sind die
Ansichten andrer Architekturen, die Darstellung von Bildwerken verschie-
dener Art, und namentlich die der vorzüglich schönen, dem Anfange des
15ten Jahrhunderts angehörigen Glasmalereien bestimmt, welche sich früher
in der Burgkirche zu Lübeck befanden und jetzt in der dortigen Frauen-
kirche aufgestellt sind. Die letzteren schreibt man nicht ohne Grund dem
berühmten Glasmaler Francesco, Sohn des Dominico Livi aus Toscana, zu,
der seine Kunst in Lübeck gelernt und dort geraume Zeit ausgeübt hatte,
nachmals aber in seine Heimat zurückberufen wurde, um die Fensterge-
mälde für den Dom von Florenz anzufertigen. Das Werk wird (wie es
auch bei den vorgenannten Unternehmungen der Fall war) auf Kosten des
Herausgebers erscheinen; es ist nur zu wünschen, dass das Publikum ihm
diejenige Theilnahme bezeigen möge, welche zur angemessenen Durchfüh-
rung des Unternehmens nöthig ist.
Den Werken, und Arbeiten über ältere Kunstdenkmale, bei denen die
bildliche Darstellung die Hauptsache und der literarische Text nur die
Begleitung ausmacht, haben wir nunmehr ein Werk anzuschliessen, bei
welchem das umgekehrte Verhältniss stattfindet. Dasselbe führt den Titel:
Ueber die Entwickelung der Architektur vom 10ten bis 14ten
Jahrhundert unter den Normannen in Frankreich, England,
Unteritalien und Sicilien von Henry Gally Knight. Aus dem
Englischen. Mit einer Einleitung herausgegeben von Dr. C. R. Lepsius.
Mit 23 lith. Blättern. Leipzig, 1841. (XII. u. 388 S. in gr. 8.)
Das Werk an sich bezieht sich nicht unmittelbar auf die deutsche Kunst,
doch haben die künstlerischen Entwickelungsverhältnisse des frühem Mittel-
alters, auch was die verschiedenen Gegenden von Europa anbetrifft, so man-
nigfache Wechselbeziehung untereinander, dass ein Blick auf die Nachbar-
länder nothwendig Interesse und Belehrung. auch für die eigne Heimat, ge-
währen muss; überdies wird dasWerk durch die im Titel genannte Einleitung
in unmittelbare Beziehung zur deutschen Kunstgeschichte gesetzt. Ueber die
letztere ist hernach ausführlicher zu berichten. Was die Arbeit des Hrn.
Knight anbetrifft, so giebt dieselbe eine übersichtlich gehaltene, doch zugleich
sehr umfassende Kunde von den Monumenten, die sich aus den Zeiten der
Normannenherrsehaff, Vofnehmllch iIl der Normandie und in Sicilien (England
und Unteritalien werden nur _mehr beiläufig in Betracht gezogen) erhalten
haben Im Original sind es eigentlich zwei gesonderte Werke, deren jedes
einen Reisebericht in das eine_und in das andre der beiden genannten Läu-
der enthält. Der Verfasser schildert kurz, aber mit gesundem Auge und mit