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und Kritiken.
B erichte
die oben angeführte des Dorfes Pötnitz, enthalten demnach eigenthümlich
interessante Gestaltungen jenes spätrornanischen Uebergangsstyls, welcher
die Vorbereitung zum gothischen Baustyle in sich einschliesst. Ein an-
deres, ebenfalls höchst eigenthümliches und merkwürdiges Beispiel eben
dieses Uebergangsstyls, welches im Schmidfschen Werke dargestellt wird,
ist die Kirche des ehemaligen Nonnenklosters St. Thomas, in der süd-
lichen Eitfelgegend. Sie ist in einfacher Anlage, einschiflig, ohne sonder-
lich reichen Schmuck, aber in sehr charakteristischen und entschiedenen
Formen ausgeführt; die westliche Hälfte der Kirche wird, wie nicht selten
bei den Kirchen von Nonnenklöstern und sonstigen weiblichen Stiften,
durch eine geräumige Tribüne ausgefüllt. Besonders wichtig und für die
Untersuchungen in der deutschen Architekturgeschichte entscheidend ist es,
dass die Bauzeit dieser Kirche feststeht, indem sie, nach inschriftlicher
und anderweitig urkundlicher Nachricht, im J. 1222 eingeweiht und 1225
vollendet worden ist. Diesen Gebäuden ist zunächst noch die anspre-
chende, derselben Periode angehörige Facade des Hauses „zu den drei
Königen" in Trier anzureihen.
Die eigentliche Perle unter den Mittheilungen der vorliegenden Lie-
ferung ist die Kirche zu Offenbach am Glan. Ueber ihre Bauzeit ist
nichts bekannt; der Styl, in welchem sie ausgeführt ist, deutet darauf,
dass sie etwa im dritten Jahrzehnt des 13ten Jahrhunderts begonnen
wurde. Sie ist eins der allermerkwürdigsten frühgothischen Bauwerke in
Deutschland, und sie bildet als solches ein ungemein interessantes Seiten-
stück zu der im J. 1224 gegründeten Liebfrauenkirche zu Trier (Lief. 1
bei Schmidt). Aber während die letztere aus dem primitiven französisch-
gothischen Säulenprincip hervorgegangen ist, lässt die Kirche von Offen-
bach ihren Ursprung aus dem nationell deutschen Princip des gegliederten
romanischen Pfeilers deutlichst erkennen; und gerade diese Erscheinung
ist ein recht charakteristisches Merkzeichen, wie die deutsche Kunst von
vornherein darauf ausgehen musste, die Einseitigkeit der französischen
Grundform (die allerdings zwar für die Entwickelung des gothischen Styles
nothwendig war) zu einem mehr organischen Leben durchzubilden 1)_
Uebrigens ist von ausschliesslich romanischen Elementen in der in Rede
stehenden Kirche kaum etwas anderes zu bemerken, als die noch nicht
beseitigten Rundbogenfriese im Aeussern und gewisse phantastische Orna-
mente in den Kapitälen; in allem Uebrigen herrscht bereits entschieden.
0b auch noch sehr streng und noch gebunden, die gothische Gefühlsweise
vor. Ueber das Einzelne, über die Reinheit in der Formation der Glie-
derungen, über deren steigende Entwickelung, Ausbildung und Läuterung
in dem (wohl nur ziemlich langsamen) Fortschritt des Baues kann ich nur
auf die treftlichen Blätter des Schmidfschen Werkes verweisen. Leider
1st von der Offenbacher Kirche, deren technische Ausführung auch, trotz
mancher befremdlichen Unsymmetrie im Grundplan, rühmlichst erwähnt
werden 1111155, nur wenig mehr als Chor und Querschiif erhalten. Ein
andres frühgßihißches Gebäude, um ein Weniges jünger als das ebenge-
des SChIOSSeS beschäftigt, um dieselben später in lithographirten Ansichten her-
auszugeben.
i) Näher auf Qie oben angedeuteten Verhältnisse einzugehen. ist hier nicht
der Ort. Ich verwexse auf das, was ich in meinem Handbuch der Kunstgeschichte
Über die Entwlckelunß 1188 gothischen Baustyls gesagt habe.