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und
Berichte
Kritiken.
einstweilen aber noch eine Streitfrage ist, und über welches weiter unten
etwas näher berichtet werden soll. Der Chor ist zierlich gothisch; die Pfei-
lerstellungen des Schiffs gehören einer ziemlich rohen Erneuung des Baues
aus spätgothischer Zeit an. Sodann die Schlosskapelle, auf der Burg von
Freiburg, eine jener Doppelkapellcn, deren man auf deutschen Fürsten-
sitzen aus der Periode um 1200 mehrere findet. Dies kleine Gebäude,
und vgrnchmlich die obere Kapelle, gehört zu den allerintcressantesten
und zu den allergeschmackvollsten Werken, welche die deutsche Kunst
des spätromanischen Styles hervorgebracht hat; es ist in seinen Formen
und vornehmlich in den Ornamenten eine Feinheit, eine Reinheit, ein Adel,
dergleichen man bei Bauwerken desselben Styles anderweitig in Deutsch-
land gewiss nur selten und ausserhalb Deutschlands gewiss noch viel sel-
tener finden dürfte. Wir sind dem Herausgeber für diese Mittheilung allen
Dank schuldig. Aber die reine Classieität jener Formen lässt uns wün-
schen, dass dieselben zugleich auch (was freilich in l-lrn. Puttrichs Plan
nicht liegen konnte) "in Abbildungen eines grössern Maassstabcs, als die
schönsten Vorbilder in ihrer Art veröffentlicht werden möchten 1).
Die nächstfolgenden Lieferungen der zweiten Abtheilung sind den Denk-
malen von Na um burg an der Saale, vornehmlich dem dortigen Dome
und seinen Bildwerken gewidmet. Hievon liegt bereits eine Reihenfolge
lithographirtcr Blätter vor. in denen unsäussere und innere Ansichten
dieses mehrfach merkwürdigen Gebäudes, Abbildungen seiner schönen De-
tails und zugleich vorzüglich gelungene Abbildungen der grossen Statuen
im westlichen Chorcdes Doms, welche letzteren, dem 13ten Jahrhundert
angehörig, für die Geschichte der deutschen Scnlptur von so ausserordent-
licher Wichtigkeit sind, dargeboten werden. Da diese Mittheiluirgen aber
noch bei Weitem nicht vollständig sind, da namentlich auch noch der dazu
gehörige 'l.'ext fehlt, so mag ein näherer Bericht über dieselben so lange
ausgesetzt bleiben, bis wir das Ganze zu beurtheilen im Stande sind.
(Weiter unten werde ich jedoch Gelegenheit haben, meine Ansicht über
einen Theil der Baugeschichte des Naumburger Domes vorzulegen.)
Als ein besonderes Werk dürfte von Hrn. Puttrich eine Reihe von
colorirten Zeichnungen herausgegeben werden, welche er kürzlich nach den
merkwürdigen Stuckreliefs an den Brüstungswänden des Ohores der Lieb-
frauenkirche zu Halberstadt hat anfertigen lassen. Es sind grossc Ge-
stalten des Erlösers, der h. Jungfrau und der zwölf Apostel, jede jnner-
halb einer reich dekorirten Nische spätronranischen Styles sitzend; die alte
farbige Bemalung derselben ist unter der späteren Tünehe, mit der sie
überstrichen worden, wieder zum Vorschein gebracht und in den Zeich-
nungen genau wiedergegeben. Für die deutsche Sculptur des zwölften
Jahrhunderts gehören diese Arbeiten, wieder als eigenthümlich lebenvolle
und gehaltreiche Vorstufen für die Wechselburger etc. Arbeiten, zu den
interessantesten Beispielen; die Zeichnungen enthalten ein sehr gelungenes
Abbild ihres Styles. Eins der Reliefs habe ich bereits vor geraumer Zeit
(im Museum, 1833, N0. 13) in einer Uinrisszeichnung mitgetheilt Es
1) Hi. Prof. J- M. Manch, jetzt in Stuttgart, hat früher grosse Abbildun-
gen von den Details der Freiburger Schlosskapelle gefertigt, deren Schönheit alle
Wünsche befriedigt und die sich u. a. im wissenschaftlichen Kunstverein zu
Berlin eines ungetheilten Beifalls zu erfreuen hatten. Möge Hr. Manch Zeit und
Musse finden, um dieselben, wie es seine Absicht war, herauszugeben!
I) Vergl. Kl. Sehr. I, S. 138.