Zur
der
Geschichte
deutschen Kunst im
Mittelalter.
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südliche, halte ich nicht für ursprünglich, sondern etwa für gleichzeitig
mit der Anlage der Busskapelle (von der hernach das Weitere). Es ist
mir auch gegenwärtig noch am Wahrscheinlichsteu, dass ursprünglich der
Chor und das gcsammte Querschiff durch einen zusammenhängenden
Kryptenhau ausgefüllt wurde, wie ein solcher iu der Schlosskirche von
Quedlinburg noch vorhanden ist. Sehr merkwürdig ist ferner die Ver-
änderung, welche die Kirche an ihrer Westscite, ohne Zweifel bereits im
elften Jahrhundert, erlitten hat: die Einrichtung des westlichen Chor-es,
unter dem wiederum eine Krypta vorhanden ist und zu dessen Seiten sich
zwei Rundthürme erheben. Die genannten Thürme scheinen mir älelclb
zeitig mit dieser Umändcrung des Baues und nicht bereits der ursprüng-
lichen Anlage angehörig. Wenigstens deutet darauf die Disposition des
Grundrisses hin; auch habe ich bei Untersuchung der Monumente in den
Rheinlanden neuerlich die Bemerkung gemacht, dass runde (oder halbrund
vertretende) Thürme auf der Westseite der Kirchen, mehrfach zugleich in
Verbindung mit der Anlage einer westlichen Chemische, im elften Jahr-
hundert, namentlich seit der grandiosen Westfacade des Domes von Trier,
eine keineswegs seltene Erscheinung im deutschen Kirchenbau ausmachen.
Ganz eigenthümlich ist sodann die Anlage der sogenannten Busskapelle,
eines kryptenartigen Einbaues im südlichen Scitensehiff, zur Seite des süd-
lichen Quersehillllügels, die gleichfalls dem elften Jahrhundert anzuge-
hören scheint. Der Herausgeber hat das Verdienst, die ungemein inte-
ressante Dekoration, welche die dem Innern der Kirche zugewandten
Wände dieser Kapelle schmückt, von allen störenden Anbauten befreit
und uns in vortrefflichen Abbildungen mitgetheilt zu haben. Diese De-
koration ist verschiedenartig, theils aus Steinsculpturen, theils aus auf-
gesetzten Stueeoreliefs bestehend. Die Steinsculpturen bilden reiche orna-
mentistische Einfassungen, in welche tigürliche Darstellungen verweht sind;
ihr ganzer Charakter und die rohe Behandlungsweise deuten nach meiner
Ansicht entschieden auf das elfte Jahrhundert. Einige Steiniiguren sind
später, bei einer Veränderung der Dekoration, abgemcissclt werden. Die
Stuccorelicfs sind einzelne Figuren, heilige Personen und (wie es scheint)
eine Bilduissgtestalt; nach meiner Ansicht gehören sie sämmtlich und
nicht bloss, wie der Herausgeber will, nur die letztere der zweiten
Hälfte des zwölften Jahrhunderts, an. Sie sind zum Theil von merk-
würdig treillichcr Arbeit, in der sich der Aufschwung jener Kunst,
die in den Wcchselburger und Freiberger Arbeiten zu so hohen Re-
sultaten gelangt, bereits ankündigt; zum Theil sind sie minder aus-
gezeichnet, doch deuten die Eigenthümlichkeiten des Styls auch hier
bestimmt auf die spätere Zeit. Es wären bei diesen Gegenständen
110Ch manche nähere Bemerkungen, über sie selbst und über die künst-
lerischen Eigenthümlichkeiten jener Epoche, zu machen; der gegebene
Ballm des Kunstblatts nöthigt mich aber, mich kurz zu fassen. Sehr
Interessante architektonische Reste des zwölften Jahrhunderts erscheinen
Sßdann in den nicht zerstörten Theilen des Kreuzganges, von denen eben-
falls Abbildungen der Details mitgetbeilt werden. Endlich giebt der
Herausgeber noch den Umriss eines Bildes, welches den Stifter von Gern-
rode, den bekannten Markgrafen Gero (gest. 965) darstellt. Das Bild Selbst
ist sehr jung (um 1500), hat aber allen Anschein, dass es nach einem
Originalwerke aus GerolS Zeit, etwa nach seinem Grabsteine, gefertigt Sei;
für die Geschichte der Kunst ist es natürlich ohne Werth, sehr interessant