BERICHTE
UND
KRITIKEN.
1842 1843.
BerlinerMuseum.
(Kunstblatt,
1842,
Sehr schätzbare Stücke sind neuerlich für die Gemäldegallerie
erworben, einige treffliche Niederländer , unter denen ich mich begnüge,
zwei ungemein lebenvolle Bildnisse von Franz Hals anzuführen, sodann
ein Bild italienischer Schule, welches fortan zu den Werken ersten Ranges,
die das Museum besitzt, zu zählen ist. Es ist ein Gemälde von der-Hand
des Pontormo", ausgeführt nach einer Composition Michelangelos. Es
enthält die lebensgrosse nackte Gestalt der Venus, welche , auf den einen
Arm sich aufstützend, in einem Gebüsche liegt, und den Amor, der in
muthwilligem Spiel über sie hintritt, ihren Hals umschlingend und sie zu
küssen im Begriff, während sie aus seinem Köcher einen Pfeil herauszieht.
In diesem Bilde waltet ganz der hohe, majestätische Geist des Michel-
angelo; es ist in diesen Formen eine Energie des Lebens, wie sie nur ihm
zu eigen sein kann. Dabei ist das kecke Spiel der Darstellung, wie sich
freilich bei dem Namen dieses Meisters von selbst versteht, mit reinem
und keuschem Ernste gefasst, in dem Kopfe der Venus selbst ein strenger,
fast leidenschaftloser Stolz, der eine eigenthümlich poetische Wirkung her-
vorbringt. Aber nicht minder meisterhaft wie die Composition ist auch
deren Ausführung. Das feine Verständniss der Form, die Reinheit und
Tüchtigkeit der Modellirung ist der grossartigen Schönheit der Zeichnung
durchaus angemessen. Auch der kühle Ton der Carnation entspricht dem
Geiste einer Composition Michelangelols. Der Vortrag ist breit und frei,
doch mit einem Schmelz in den Feinheiten der Schattengebung, wie sol-
eher 1111181" den Florentinern nur dem Pontormo eigen war. Die Um-
gebung, in kräftigen und entschiedenen Farbentönen gehalten, steht gleich-
wohl zu den kühlen Tönen der Carnation in glücklicher Harmonie, so das
rothe mit Gold durchwirkte Gewand, auf welchem die Venus ruht, so das
dunkle Grün des Gebüsches, so die ungemein geistvolle Färbung des