Schluss
Notizen vom
der Reise.
Frankfurt a.
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eine Mauer nach der Aussenwelt abgeschlossen. Maria sitzt zur Seite eines
Steintisches und liest; auf dem 'l'isrrhe ein Glas und Obst: Vor ihr sitzt;
das bekleidete Christkind in den Blumen und spielt auf einem Hackbrett,
das ihm eine heilige Frau hinreielit. Eine zweite schopft Wasser aus einem
Brunnen; eine dritte pflückt Kirschen in einen grossen Korb. Auf der andern
Seite sitzen Erzengel Michael und St. Georg in den Blumen; neben Michael
ein Aeftlein; neben Georg liegt der kleine Drache auf dem Rücken. Ein
dritter männlicher Heiliger hinter ihnen lehnt sich an einen Baumstamm und
hört zu_ Der Garten voll Blumen, Vögelchen, etc. Der Maler ist ungefähr
ein Zeitgenoss des Meister Stephan; das Allgemeine der Gestaltung. dlß KOPF
bildung, der Sinn für das Liebliche (besonders reizend '10 dem Kopfe des
Michael, den dieser, vor sich liiuschauend, bequem lIl die Hand stützt) ist
dem letzteren ziemlich verwandt; doch hat jener nicht den bedeutsamen
körperlich künstlerischen Sinn. Seine Gestaltungen und Bewegungen haben
nicht den Fluss, die Arme sind geradliniger, der Faltenwurf ist minder
durchgebildet, auch das weiche und harmonische Farbenprincip fehlt.
Ueberhaupt stehen die Farben viel bunter nebeneinander und wirkt auch die
ältere Kunstweise (der Periode des Meister Wilhelm) noch mehr nach.
Im Besitz des Herrn G. Brentano.
Vierzig Miniaturen französischer Schule aus der Spätzeit des löten Jahr-
hunderts, dem Jean Fouquet, Hofmaler König Ludwigs XI.. zugeschrie-
ben; Blätter,eines höchst reichen Breviersi für "maitre Estienne chevalier"
gefertigt, dessen Portrait mehrfach und dessen Name oft darin vorkommt.
Meist Scenen des neuen Testaments; dann andre des christlichen Mysteriuins,
Darstellung religiöser Functionen u. dgl._m. In den Compositlonen sehr viele
Originalität und geistreiche Selbständigkeit; bei den neutestamentlichen Sceneii
häufig der Art, dass auf den oberen zwei Dritteln des Blattes die Begebenheit,
meist Iigurenreich und lebendig, dargestellt ist und auf dem unteren Theile
beiläuiig dazu gehörige Scenen bei der Kreuzigung z. B. das Schmieden
der Nägel enthalten sind. Eigenthümlicher noch' sind einzelne mysti-
sche Darstellungen, z. B. die der Dreieinigkeit unter dem Bilde von drei
ganz gleichen und gleichmässig in weisse Gewande gekleideten Gestalten,
die auf gemeinsamem Throne nebeneinander sitzen. Auf einem Blatte ist,
in eben derselben Weise, die Krönung Maria dargestellt, wo dann der eine
von den Dreieinigen aufgestanden ist und im Vorgrunde der knieenden
Jungfrau die Krone aufsetzt. Der Styl ist meist höchst grossartig, in
Scenen, wo feierlich Versammelte nebeneinander sitzen (z. B. in der Dar-
stellung kirchlicher Functionen), sehr feierlich und würdig. In den Ge-
stalten und besonders in den Köpfen ist eine gewisse Idealität mit Glück
erstrebt, obschon die Formenbildung, der Grundlage nach, dem flandri-
Sehen Princip verwandt bleibt. Die Behandlung zeigt höchste nieder-
ländische Feinheit und Sauberkeit. Die dargestellten Architekturen haben
theils noch brillant gothischen Styl, theils den der zierlichst ilorentinischen
Renaissance ; gelegentlich kommt dergleichen auch auf einem Blatte neben-
Qlllander vor. Uebrigens ist nicht Alles von ganz gleichem Wertlie und
Sllld, was die Ausführung betrifft, verschiedene l-lände zu erkennen.
Ein Tafelbild, den Maitre Etienne und neben ihm den h. Stephan dar-
stellend, halbe Figuren in Lebensgrösse. wird ebenfalls dem J. Fouquet
zugeschrieben 1). Die künstlerische Richtung ist im Allgemeinen dieselbe,
Waagen,
Kunstwerke
und Künstler in Paris
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