Kritiken
Barichte und
Ueber
die
Kunst der Holzsehnitzerei
Altarwerke in Hallo.
altdeutsche
einige
und
ü
Preussische
Staatszeitung,
1840,
August.)
Wenige Jahrzehnte sind es her, seit das Interesse für die Kunst des
deutschen Mittelalters neu erwacht ist; aber eine grosse Anzahl von Kunst-
werken hohen und höchsten Ranges ist in dieser kurzen Frist bereits aus
dem Dunkel, welches sie zu umhüllen schien, aufs Neue ans Licht getreten.
In den Domen und andern öffentlichen Gebäuden, die unsre Väter aufge-
führt, in den frommen Gemälden, mit denen sie dieselben geschmückt, ist
uns das Leben, welches jene ferne _Zeit erfüllte, wiederum gegenwärtig ge-
worden. Gleichwohl ist uns auch bis heute noch gar Vieles unbekannt ge-
blieben, und ein Jeder neue Schritt, den wir zur Untersuchung der Vorzeit
unseres Vaterlandes thun, führt uns zu neuen Entdeckungen, dft zu bedeut-
saineren, als mit welchen die inühseligen Reisen in fremde WVelttheile be-
lohnt werden. Von der Höhe, welche die deutsche Sculptur im fünfzehnten
und sechzehnten Jahrhundert erreichte, hatten wir bisjetzt kaum eine Ah-
nung; eins ihrer Hauptfächer, so vielfache Beispiele auch in demselben
enthalten sind, ist nur erst in den seltensten Fällen gewürdigt worden.
Ich meine hiemit jene ganz eigentliümliche Kunst der l-lolzschnitzerei, welche
in Verbindung mit den Farben des Malers, die umfassendsten Altarvverke
hervorgebracht hat. Es scheint, dass diese Kunst vorzugsweise in Nord-
deutschland ihre Blüthe erreicht habe. Fast überall, wo der Fanatismus
der Bilderstürmer nicht hingedrungen ist, finden wir hier grossartige Altar-
werke, Bilderschreine, die mit den Statuen heiliger Personen und mit leb-
haft bcwe ten Scenen der lieili en Geschichte angefüllt und zu leich mit
architektoäisehen Ornamenten vän zierlichster Bildung geschmiixkt sind.
Die Gewänder dieser Figuren strahlen zumeist in goldnem Glanze, ihre
Köpfe sind durchweg auf eine wundersam zarte YVeise bemalt; durch das
letztere Mittel erhalfen sie eine Lebenfülle, eine Tiefe und lniiigkeil des
Ausdruckes (ohne dabei {nur im Entferntesten an die gespeiisterhafte Le-
hcndigkeit der Wachsfigiiren zu erinnern), dass wir unter allen Erschei-
nungen in der Geschichte der Kunst uns vergebens nach ähnlichen Leistun-
gen umsehen. Ein grosser Mittelschrein enthältin der Regel die Hauptdar-
Steullllg, bewegliche Seitenschreine bilden die Flügel; wenn diese geschlos-
sen sind, sieht man sie, oft auch noch ein zweites Flügelpaar, mit wirk-
lichen Gemälden geziert. Ein andres Gemälde oder Schnitzwerk bildet
msgemein den Untersatz des Ganzen, und über letzterem erheben sich mehr
oder weniger reich gestaltete, frei durchbrocliene Baldachine, in denen wic-
derllm geschnitzte Statuen enthalten sind.
was literarisch über die Würdigung dieser Kilnst-Gattung vorliegt,
lsf bls Jetlt äusserst gering. Ausser zwei Aufsätzen im "Kunstblatt" (der
eine VOII unserm Mitbürger, Herrn Professor Wach, 1833, N0. 2, f., der
afldre W211 HeTm Hofrath v. Schorn, 1836, N0. 1, 1T.) wüsste ich nur
elile kleine Schrift des letzteren zu nennen: "Ueber altdeutsehe Sculptur,
1111i bCS-OIIÜCTCY Rücksicht auf die in Erfurt vorhandenen Bildwerke; ein
Vomiagi gflhalten in der festlichen Versammlung der Königl. Akademie
gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, am 3. August 1838. (Erf. 1839)."