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Rheiureise,
1841.
Zweiter
Abschnitt.
den Baldachin. Die ganze Zeichnung scheint einen Künstler anzndeutcn,
der, aus der Schule des Meister Wilhelm hervorgegangen, sich eben selb-
ständig zu äussern beginnt; es liegt noch die Wilhelnfsche Körperfassung
zu Grunde, aber sie ist bereits aufs Schönste stylistisch abgernessen- Die
Färbung ist einfach, in den Gewändern der Ursula die gewöhnliche _grüne
Farbe vorherrschend. Die Einfachheit der Färbung und eine gewisse Breite
und Raschheit der Ausführung erklären sich scheinbar dadurch, dass das
Bild wohl nur Aussenseite eines Flügels war. Die Köpfe sind ganz im
lieblichstenFarbenschmelz hingehaucht, der besonders bei den vier Mädchen
äusserst zart ist, obschon leicht gearbeitet. Ueberhaupt zeigt sich ein
durchaus ideales, und zwar glücklich ideales Bestreben in den Köpfen.
Die tiefsinnige Anmlllh, die sich hierin ankündigt, die hohe Grazie und
Lieblichkeit, die ganze Behaudlungsweise passt hier meines Erachtens auf
keinen andern als; auf Meister Stephan, sofern man von Meisterbildern
auf Jugendbilder überhaupt einen Schluss machen darf. Mit den oben
genannten Passionsbildern stimmt das Gemälde nicht ganz; jene sind
schon ungleich pastoser und gehören einer mehr vorgerückten Künst-
lerhand an. Der Grund des Bildes ist Erde und Himmel, nicht Gold.
Der Heiligenschein ist golden, mit schwarzen Rändern, während die Scheine
der eben genannten Bilder mit plastischen Rändern versehen sind. Leider
ist das Gemälde (1841) höchst verwahrlost, Vieles abgestossen und abge-
seheuert, wodurch auch das Gesicht der Ursula mehrfach gelitten hat.
Köln. Dom. Das in der Agneskapelle befindliche, aussehliesslich
sogenannte Dombild von Meister Stephan, mit der Anbetung der Kö-
nige und -den andern Stadtpatronen auf seinen inneren, und der Verkün-
digung Mariä auf den äusseren Seiten. (Ich setze die Composition dieses
Hanptwerkes der kölnischen Schule als völlig bekannt voraus und gebe
im Folgenden meine Notizen, wie ich sie zu Anfang und am Schlusse des
Kölner Aufenthalts niedergeschrieben.)
(Erste Notiz.) Auffallend ist das ungemein Vertriebene, schier
Wachsartige, ill (ICI Behandlung der Carnation, wobei eine gewisse con-
ventionell grauliche Farbenstimmung (z. B. in den Schatten, mit leisem
Anflug von Roth auf den Wangen u. s. w.) durchgeht. Die ganze Model-
lirung hat noch etwas Conventionelles, was an sich allerdings noch das
Princip des germanischen Styles verwalten lässt. Dies Alles gilt vor-
nehmlich von den weiblichen Köpfen, bei denen eine gewisse ideale An-
muth fast zu typisch wiederkehrt. In den männlichen Köpfen aber, und
besmlders in de" älteren, Zeigt sich eine trefflich lebenvolle Natnralisiik,
die es auch, wie bei dem knieenden ältesten Könige, bereits zu einer
glüßliliCil niitlliwahrßn Behandlung bringt. Bei jugendlich männlichen
Köpfe" ist ein? Wanne Carnation vaorherrshchenrl. Das Christkind hat eine
schon Sehr edle: Zart düfßhgebiltlete Formenfülle, die eigentlich wenig
"lehr z" Wünsche" übrig lässt, Ueberhanpfzeigt sich ein lebendiges kör-
perliches Gefühl (Obgieißh der schmale Abfall der Schultern noch charak-
teristisch blüht)? demgemiiss ist auch die Gewandung schon freier geord-
net, wobei die germanischen Reminisccnzen bereits gegen Eycklsche Falten-
brücllß zurückzutreten beginnen. Alles Detail des Kostüines ist mit täu-
sChCIIÜCY Nillllflfßue, zum 'l'heil ganz in der Weise der Eycks gemalt, z. B. die
Spicgehlde" RüSiungen. Die Farbenpracht finde, ich nicht eben bedeutend.
was aber den Schicksalen des Bildes zuzuschreiben sein mag. Die Ge-
silmlllillmiullg freilich ist im höchsten Lirade inäehtiilf- Alles dies flilt.