Kritiken.
Berichte und
Die verschiedenen Motive der Baukunst des Mittelalters, namentlich die-
jenigen, welche dem Zcitraume von den späteren Werken der ltümerzeit an
bis zum ersten Entwickelungsstatlinm des gothischen Baustyles angehören,
treten uns hier in charakteristischen Beispielen entgegen, und zwar mit
einer historischen Bestimmtheit, deren Enhvickelurig freilich das Ver-
dienst des Herausgebers ist, dass wir S16. grossentheils als feste _An-
knüpfungspunkte für die Chronologie (lerrnrttelaiterllchen Baugeschrchte
benutzgn können. Besonders merkwurtiig 1st der Dom selbst. Er besteht
aus sehr verschiedenartigen 'i'heilen, (je nach den verschiedenen Perioden,
in welchen dieselben ausgeführt wurden; aber diese Thcile stehen zumeist
keineswegs (wie man anderweitig Beispiele zur Genüge hat) in ihrer selb-
ständigen Gestalt nebeneinander; vielmehr sind (lieselben jedcsmal, wenn
Erweiterungen oder Veränderungen des Gebäudes statttandeu, der neuen
Anlage gemäss auf eine Weise verändert und umgewandelt worden, dass
das schärfste Auge, die unermiidlichste Sorgfalt, die erfahrcnste Kritik
erfordert wird, um das Spätere von dem Früheren sondern, um die ur-
sprüngliche Anlage und eine jede Erneuerung des Gebäudes in ihrer eigen-
thümlichen Gestalt erkennen und diese inihrem Zusammenhänge ent-
wickeln zu können. Der Herausgeber hat diese reproducirende Kritik mit
so glücklichem Erfolge angewandt, dass seine Arbeit, wie es scheint, Nichts
zu wünschen übrig lässt.
Es würde zu weit führen, wollte ich hier alle die einzelnen Merkzei-
chen ilamhaft machen, durch deren Entdeckung und Berücksichtigung es
dem Herausgeber gelungen ist, ein in unsrer deutschen Baugeschicltte noch
so seltenes Resultat zu gewinnen. Ich begnüge mich, hier nur eine kurze
Charakteristik der verschiedenen Gestaltungen des Domes, wie sie durch
diese Arbeit entwickelt sind, mitzutheilen. Die erste Anlage des Domes
gehört der römischen Zeit an. Sie bildete im Grundplan ein Quadrat, mit
halbrundcm Ausbau auf der Ostseite. im Innern standen vier grosse Säu-
len korinthischer Ordnung, ebenfalls in quadratischer Stellung; auf ihnen
und den entsprechenden Wandpfeilern ruhten kräftige Schwibbögen, welche
eine flache Holzdecke trugen. Zwei Reihen grosser übcrwölbter Fenster
liefen an den Wänden hin. Plan und Durchschnitt dieser römischen An-
lagen sind auf Tat". I der zweiten Lieferung enthalten. Der Herausgeber
sucht es mit WVahrsche-inlichkeit zu erweisen, dass dies Gebäude (der Sage
nach ein Pallast der Helena) nicht, wie man zunächst vermuthen könne,
eine Basilika (im antiken Sinne des Worts), sondern dass es eine der von
Constantin erbauten christlichen Kirchen gewesen sei. Gewiss wäre es für
die Geschichte der christlichen Kirchenbaukunst sehr interessant, wenn
diese Ansicht vollkommen gesichert wäre und wir hier den Plan einer
bedeutenden Kirche aus jener frühen Zeit vor uns sähen. Gleichwohl
dürfte die Ansicht, dass das Gebäude zu dem Behufe einer Basilika er-
i-iehtet worden sei. nicht ganz abgewiesen werden können; denn wenn
seine Gestalt auch von der Vitruwschen Vorschrift abweicht, so finden
wir doch andre Basiliken des classischen Alterthuins, die damit nicht
übereinstimmen. Zugleich ist auch das kein Gegenbeweis, dass Trier
illläßöfdßnl Schon eine zweite geräumige Basilika, den sogenannten Kaiser-
pallast, besessen habe; vielmehr gedenkt der von Wyttenbaeh (in seinen
"Neuen Forschungen") angeführte Eumcnius in seiner Rede vom Jahr
310 auSdrüCkliCh mehr erer Basiliken, die Constantin selbst in
'l'ricr errichtet habe, indem er sagt: .,lch sehe Basilikcn, das Forum,