Berichte und
Kritiken.
ren Bedeutung solcher Werke mehr Aufmerksamkeit verwandt würde, als
seither in den meisten Fällengeschehen ist.
Erscheint die goldne Pforte zu Freiberg schon in dem eben besproche-
nen Bezuge als ein wichtiges Denkmal deutscher Kunst, so ist dies viel-
leicht in noch höherem, jedenfalls in ungleich mehr überraschendem Grade
der Fall, wenn wir das Element der eigentlich künstlerischen Ausführung
ihrer Einzelheiten in's Auge fassen. Denn in der That waltet in diesen
Sculpturen fast durchweg ein so ausgebildeter, ein so classischer Schön-
hejtssinn, dass wir bei ihrer Betrachtung der höchsten Vollendung der Kunst
nahe zu stehen glauben. Allerdings zwar erkennt ein geübtes Auge in
verschiedenen Motiven die Elemente des sogenannten byzantinischen Styles,
wie solcher in den deutschen Werken des zwölften Jahrhunderts durch-
gehend, und zwar zumeist in unerfreulicher Härte, angetroifen wird; aber es
sind diese Motive auf's Edelste ermässigt; und gerade dasjenige, was in
der byzantinischen Tradition Grossartiges überliefert worden ist, erscheint
hier mit glüeklichstem Sinne aufgefasst, bedeutsam ausgebildet und frei be-
lebt. Es ist der hohe Geist der Antike, der nach seiner Erstarrung im
Byzantinischen hier zu neuem Leben erwacht; und doch ist zugleich
mit dieser classischen Erhabenheit eine Milde des Sinnes, ein zartes religi-
öses Gefühl verbunden , wie solches nur aus dem Boden des christlichen
Mittelalters hervorgehen konnte. ln alledem sind diese Arbeiten nur mit
den Werken des grosscn italienischen Meisters Nicola Pisano zu vergleichen;
doch scheinen sie vor den letzteren noch den ebengenannten Vorzug grös-
serer Milde zu haben, während sie ihnen vielleicht (was aus den vorliegen-
den Abbildungen nicht ersichtlich sein kann) an Feinheit in der Behand-
hing der Form nachstehen mögen. Aber die Blüthe des Nicola Pisano ist
jedenfalls bedeutend später (in der späteren Zeit des dreizehnten Jahrhun-
derts), als die Ausführung der Sculpturen der goldnen Pforte; und wohl
scheint es sehr glaublich, dass Meister, die so Vorzügliches zu leisten im
Stande waren, auf die Ausbildung der italienischen Kunst, die im Anfange
des dreizehnten Jahrhunderts noch sehr roh erscheint, von namhaftem Ein-
flusse gewesen sein mögen; hiedurch würde dann auch das ganz Räthsel-
hafte in der Plötllichen Erscheinungdes Nicola Pisano verschwinden. Las-
sen sich dßßh fortwährend, bis zum Ende des funfzehnten Jahrhunderts,
bemerkenswerthe Einflüsse der nordischen Kunst auf die italienische nach-
weisen, während das umgekehrte Verhältniss (zwar der hergebrachten, aber
Völlig grllndiosßn Meinung entgegen) ßrSt gegen die Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts, mit dem Verfall der nordischen Kunst, eintritt.
Denn es muss bemerkt werden, dass die Werke der goldnen Pforte zu
Freiberg keinesweges ganz isolirt in der deutschen Kunstgeschichte dastehen.
Zunächst sehliessen sie sich unmittelbar an die merkwürdigen Sculpturen
an, welche sich in der Kirche des sächsischen Klosters Zschillen (Wechsel-
bnrg) befinden und die von Puttrich bereits in früheren Lieferungen seines
Werkes bekannt gemacht sind. Es ist dieselbe Weise der Auffassung und
Behandlung, in einzelnen Gestalten selbst so viel Uebereinstimmendes, dass
man zu der Meinung genöthigt wird, beide Arbeiten seien unter der Leitung
eines und desselben vorzüglich begabten Meisters gearbeitet worden. Nur
erscheinen die Freiberger Arbeiten als die Vüllendeteren, und sie werden
demnach als die späteren betrachtet werden müssen. Ausserdem ist aber
auch neuerlich noch auf mancherlei andere Werke bildender Kunst aus je-
ner Periode aufmerksam gemacht worden. die, wenn auch den genannten