Notizen und Studien.
Marburg.
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jedoch einen modernen Oberbau (das Archiv). An der Südseite ist das
Ursprüngliche dieser Anordnung nicht mehr vorhanden.
Vor dieWestseite ist später, wie sich schon aus den Steinfugen deut-
lichst ergiebt, eine niedrige Vorhalle im weiter entwickelten Ueber-
gangsstyl angebaut worden. Sie hat im Innern freistehende Sälllenpfeilßr
(von der Formation der schwächeren Pfeiler im Schiff der Kirche) und
Wandpfeiler (Pilaster mit eingelegten Ecksäulchen). Im Gewölbe sind nur
die Hauptgurte angewandt (keine Kreuzgurte]; bei breiteren Entfernungen
sind sie im Rundbogen, bei kleineren im Spitzbogen geführt. Im Orna-
ment herrscht die allerzierlichste Entfaltung des Uebergangsstyles, wie zu
Conradsburg, am Chor des Magdeburger Domes, am Querschiif des Frei-
burger Münsters. Gothische und romanische Blätterkapitäle, figürliche
Sculpturen, u. s. w. Zierlichste Ausführung. Im Aeugseren zeigt sich
die Brillanz des Uebergangsstyles besonders anfällig; die romanischen
Elemente erinnern besonders etwa an das Querschiif des Freiburger Mün-
sters. Aber der Architekt ist durch die Elementg des schon vorhandenen
gothischen Styles wiederum beträchtlich verwirrt worden. Am Hauptportal
herrscht der brillante Rundbogen vor; an den Fenstern erscheint ein, nur
wenig ornamentirter Rundbogen in brillantem, spitzbogig rcmanischem Ein-
schluss. Darüber spitzbogige Gesimse, die schon einen vollkommen aus-
geprägten frühgothischen Charakter tragen.
Franciscanerkirche (Protestantische K.) Ein Wenig be-
deutendes spätgothisches Gebäude. Der Chor einschitfig; als Gurtträger
gute Halbsäulen auf Consolen. Das Schitf mit einem Seitenschiffe, von
gleicher Höhe, durch zwei achteckige und einen runden schlanken Pfeiler
von jenem abgetrennt. Hier sehr rohe Schwibbögen. Gewölbgurte im
späten Charakter.
Marburg.
Elisabethkircheä Im Allgemeinen merkwürdig, wie hier das
Gl-undpl-incip des germanischen Eitylesmrtvölhgcr Entschiedenheit sich aus-
spricht, Zugmich aber noch volhg_pr1m1t1v, noch keineswegs mit sicherem
Bewusstsein in die Erscheinung tritt, und wie selbst die veralteten roma-
nisghen Elemente noch eine deutlich erkennbare Nachwirkung ausüben.
Dies zunächst in der Gesarnmt-Anlage des Innern, namentlich
der gleich hohen und doch sehr schmalen Seitenschiife und der Doppelreihen
der Fenster, was kein günstiges Gesammtverhältniss hervorbringt. 1)
In der Pfeilerbildung (einschliesslich der Kapitäl und Basenbil-
dung) ist das Princip der isolirten Säule noch immer vorherrschend. Die
i) Die Doppelreihen der Fenster, übereinander, an deren Stelle in später-
gothischen Gebäuden eine einfache Reihe sehr hoher Fenster tritt, erklärt sich,
wie es scheint, sehr leicht, Einmal lag das Beispiel der unmittelbaren Vorgänge-
rin der Elisabethkirche das der Liebfrauenkirche zu Trier vor, wenn dort
auch anderweitige Gründe die Veranlassung gaben; dann gehörte ohne Zweifel
erst eine gereiftere Erfahrung dazu, um den leichten Bau so hoher Fenster, wie
sie die spätergothlsßhß Zeit an derartigen Gebäuden liebt, wagen zu können.
Kugler, Kl. Schriflen. II. 11