Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 2)

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Illwinreise, 
1841. 
Abschnitt. 
Plrster 
tragen bestimmt. sind   Die Basamente der in Rede stehenden Pfeiler 
sind durchweg in vollercn und weicheren Formen, die Blätter ihrer Ka- 
pitäle kräftiger hervorquellend gebildet, als Alles dies an den Chorpfeilcrn 
gefunden wird.  So bemerkt man auch an den Fenstern die Anlage einer 
volleren und kräftiger wirksamen Gliederung als an den Unterfeustern des 
Chores. 
So deutet bei den Vorderschiifen Alles darauf hin, dass das Gefühl 
für den Organismus der inneren Bauformen sich nunmehr zum vollständig 
klaren Bewusstsein entfaltet hatte und dass man die Schönheit, die in dem 
Ganzen, in den allgemeineren Maassen und Verhältnissen begründet war, 
auch bis in die geringsten Einzelheiten hinab zu entwickeln vermochte. 
Ueber das Aeussere lässt sich nur sagen, dass man an den Seitenschitien 
jene massigen Strebepfeiler, wie sie bereits für den Chor zur Ausführung 
gekommen waren, beizubehalten für gut fand, mit sehr richtigem Takt, 
indem eine leichtere, mehr gegliederte Behandlung derselben die Harmonie 
des Ganzen auf empfindliche Weise gestört haben iwürde.  
Das äussere Seitenschiil" auf der Nordseite ist in der letzten Periode 
des Dombaues vollendet worden. Die Architektur der Fenster ist hier, 
wie bereits bemerkt, ganz in der schönen Weise ausgeführt, für welche die 
Fenster am Oberbau des Chores das Vorbild gaben. Die Gurtungen des 
Gewölbes scheinen aber bereits eine etwas breite und schwere Bildung zu 
haben 2). Besonders zu bemerken ist es, dass derjenige Strebepfeiler, der 
sich am Ende dieses Seitenschiifes dem kaum erst begonnenen nördlichen 
Thurme anschliesst, abweichend von den übrigen mit einer bunten Deko- 
ration, in geschweiften und gewundenen Formen, wie dergleichen im An- 
fange des sechzehnten Jahrhunderts gefunden werden, versehen ist. Dieser 
Strebepfeiler ist am ganzen Dome das einzige Beispiel von willkürlicher 
Behandlungsweise eines Einzeltheiles und zugleich von entarteter Formen- 
bildung. Und dennoch ist die letztere wenigstens im Ganzen so gefügt, 
dass man auch hierin noch die reinen Principien der Schule nachklin- 
gen fühlt.  
Wie an den Vorderschiden uns der Organismus des Inneren in seiner 
vollendeten Gestalt entgegentritt, so endlich der des Aeusgeferl an (191- 
Architektur der Westseitc und an den beiden Thürmen, welche 
dieselbe scihmücken. Wir haben übPr fiiGSCH Theil des Domes ein voll- 
ständiges Urtheil, indem die Anordnung des Ganzen uns in den alten, sehr 
ausführlichen Baurissen (die bekanntlich von Moller im Facsimile heraus- 
gegeben sind) vorliegt, für die Behandlung des architektonischen Details 
und für die Wirkung desselben aber derjenige Theil der Westseite, der 
zur Ausführung gekommen, die umfassendsten Beispiele giebt. 
Dass wir 3110i! hier nicht ein Stück des ursprünglichen Entwurfes vor 
uns haben, dass somit jene merkwürdigen alten Baurisse nicht etwa von 
der Hand deS MßiStef Gerhard (oder wie man sonst den Urheber des ersten 
Planes für den Dombatl nennen will) herrühren, dass sie vielmehr die 
letzte und zugleich die bedeutsamste Um- und Ausbildung des letzteren 
ausmachen, dies Wird für den. welcher dem bisherigen Gange meiner Un- 
tersuchungen gefolgt ist, nichts Befremdliches mehr haben. Doch sind 
auch hier die besonderen Merkmale, auf denen meine Annahme beruht, 
i) Vergl das Pfeilerproßl, Fig. 
He Profile der Gewölbgurte, Fig..3 
2, Äuf 
und 4, 
der anliegenden Tal". 
auf der anl. Taf II. 
Vergl,
	        
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