Der
Münster von Bonn.
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Die grossartige bauliche Erscheinung des Münsters wird durch sein
historisches Verhältniss zur Genüge gerechtfertigt. Nächst dem Dome
von Köln war er die wichtigste Kirche des gesammten kölnischen Erz-
bisthums. Der Propst des mit dem Münster verbundenen Collegiatstiftgs
War zugleich erzbischöflich kölnischer Diakonus der Dekanate des Aargaues,
des zülpicher Gaues und des Avelgaues, und hatte in dieser Eigenschaft
eine cigenthümlich einflussreiche kirchliche Stellung. Ueher die Geschichte
des Münsterbanes an sich ist übrigens nicht gar viel bekannt. Die Kaiserin
Helena, die lllutter Constantins des Grossen, wird 1118 die Efballßfiü des
Münsters gepriesen; doch ist aus so früher Zeit nichts erhalten. Eine alte
Stcinschrift benennt Gerhard, aus dem alten und reichen Geschlecht der
Grafen von Sayn, der cin halbes Jahrhundert lang, von 1130 bis 1180,
Propst des hlünsterstiftcs war, als den neuen Schöpfer der Kirche. Doch
kann durch ihn nur ein verhältnissmässig geringer Theil der gegenwärtig
vorhandenen Kirche erbaut werden sein, da eine nähere Betrachtung des
Gebäudes erhebliche Verschiedenheiten des Baustyles, somit auch der Bau-
zeit, erkennen lässt. Einzelne Theile gehören noch der frühromanischen
Periode des elften Jahrhunderts an; andere Theile, und zwar das Meiste,
jener späteren Llebergangsepoche, die in den Anfang des dreizehnten Jahr-
hunderts fällt. Ohne Zweifel wurde die Ausführung dieser späteren Theile
herbeigeführt durch den Propst Bruno, gleichfalls einen Grafen von Sayn,
der von 1205 bis 1208 den erzbischötlichen Stuhl zu Köln bekleidete und
der zur Vollendung des umfassenden Unternehmens ein bedeutendes Legat
hinterlassen haben mochte. Mit dieser Annahme stimmt wenigstens sehr wohl
überein, dass der Mönch Cäsarius von Heisterbach in seiner Beschreibung
der Reliquien seines Klosters Gebeine von Märtyrern der thebaischen Legion
anführt und dabei ausdrücklich bemerkt, sie seien bei der Erneuerung des
Ministers von Bonn gefunden worden. Cäsarius aber schrieb um das Jahr
1221. und die Kirche von lleisterbach, unfern von Bonn in einem maleri-
schen 'l'hale des Siebcngebirgcs belegen, wurde erst von 1202 bis 1'233 er-
baut. S0 enthält der Bonner Münster charakteristische Beispiele für die
verschiedenen ltlntwickelungsepochen des romanischen Baustyles, die sich
indess in ziemlich harmonischer Weise zu einem Ganzen zusammenfügen,
von denen aber freilich die Beispiele der letzten Entwickelungszeit über-
wiegend sind.
Aus der frühromanischen Bauperiode des elften Jahrhunderts rühren
Zunächst die beiden Seitenwände des Chores, zwischen den Thürmen der
östlichen Absis und dem Querschiif, aufwärts bis gegen die dort befind-
lichen kleinen Rundfenster, her. Man sieht an diesen Wänden im Aeusse-
ren ganz flache Bogennischen zwischen schlank aufsteigenden Pilastern;
das Material besteht aus sorgfältig gearbeiteten und gelegten Ziegeln, die
in den Bögen ziemlich rhythmisch mit Tlulfstcinen von hellgelblicher Farbe
wechseln. An der Nordseite (s. den Stahlstich bei Gailhabaud) ist das
Material durch Mörtelbewurf verdeckt; an der Südseite jedoch liegt es
olfen da. Es ist in dieser Technik. zunächst inder Anwendung der Ziegel
überhaupt, dann in dem Farbenwechsel zwischen den Tuffsteinen und den
rothen gebrannten Ziegeln, noch ein römisches Element, wie sich dasselbe,
auf die eine oder die andere Art, auch sonst in rheinlänrlischeu Bauten
aus der Zeit des elften Jahrhunderts mehrfach findet; so in den, aus die-
ser Zeit herrührcnden Theilen des Domes von 'I'rier; so in dem, vielleicht
noch aus der späteren Zeit des zehnten Jahrhunderts herrührendcn Vorbau