Ueber
die ursprüngliche
Anlage
des
Domes
ZU
Trier.
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wie in den einfachen byzantinischen Kirchenanlagen. Für eine solche
Disposition wüsste ich aus frühchristliehcr Zeit im Abendlande kein wei-
teres Beispiel namhaft zu machen. Freilich hat dieselbe auf den oberen
Ausbau, du Gewölbe nicht vorhanden sind, keinen anderweitigen Einfluss
ausgeübt, als den der verschiedenen Grösse der Schwibbögerl. Es ist viel-
mehr noch wie ein Zwiespalt zwischen der neuen Disposition und dem
traditionell gültigen Oberbau des Basilikensysterns. Aber gerade hierin
scheint sich der architekturgeschichtlichen Beobachtung ein eigenthümliches
Interesse darzubieten. Es ist eben ein neues Element, das, Ohne sich Selbst
klar zu sein, nach Entwickelung strebt, sei es, dass dasselbe aus eignem
dunkelm Drange des Baumeisters oder des Bauherrn hervorgegangen war,
oder was wahrscheinlicher dass es aus ,jene1' Gegend (dem Oilßlltali"
scheu Reiche) herübergetragen wurde, wo es sich vielleicht schon, iu Ueber-
einstimmung mit der technischen Gesammt-Construction, entschiedener be-
thätigt hatte.
Neben dieser Disposition des Planes ist die künstlerische Behandlung
jener Pilasterkapitäle, der einzig erhaltenen Einzeltheile des ursprünglichen
1331168, in Betracht zu ziehen. Sie haben, wie schon bemerkt, die Disposi-
tion der Kapitäle korinthischer Ordnung; sie sind ziemlich roh behandelt,
die Blätter ganz einfach nur als breite Schilfblätter gebildet; die ganze
Beschaffenheit ist so, dass man aber nicht in dieser Rohheit an sich,
sondern vielmehr in der "eigenthümlichen Fassung der Form das Ueber-
gehen in mittelalterliche Gewöhnungen wahrnimmt. Statt des leichten ko-
rinthisehen Abakus ist hier über den Kapitälen, schon besonders unantik.
ein hohes Deckgesims mit hohem anfrechtstehendtrm Karniesprofil angeord-
net. ln der Scnlptur der Blätter" und Voluten ist eine gewisse unplastische
Schnittmarxier, die im elften Jahrhundert (z. B. in den ähnlicher: korinthi-
sehen Kapitälen der Schlosskirche zu Quedlinburg) entschieden vorherrscht.
Doch aber ist in dem Schwunge der Linien, in dem Uebcrschlagen der
Blätter, in der Art, wie Alles mehr aus dem Ganzen herausgearbeitet ist,
{während z. B. in den Blätterkapitälen von der Westfagatle des 'l'rierer
Domes Kelch. Blätter und Voluten überall nlehr gesonderte 'l'heile bilden)
noch mit Entschiedenheit antike Reminiscenz wahrzunehmen.
Die Behandlung der Kapitäle führt also_ zu demselben Ergebniss wie
die Disposition des Planes der ursprünglichen Anlage. Das heisst: wir
haben es hier mit einem Bau zu thun, in welchem die von der antiken
Tradition festgestellten Elemente sich, dem Hereinklingen einer schon mit-
telalterlichen Gefithlsweise geinäss, umzubilden beginnen. Die Zeit Con-
stantins, die Zeit der Römerherrschaft überhaupt, erscheint hiefür nicht mehr
sonderlich passend; wir werden vielmehr auch hier auf die frühere Zeit
der fränkischen Herrschaft hingeführt. Suchen wir nach historischen An-
knüpfungspunkten für die Epoche dieser spätem Ausführung des Baues, so
begegnen uns auch hier (wie bei den Untersuchungenüber die Porta Nigra)
einige Verse des Venantius Fortunatns, der darin von seinem älteren Zeit-
genossen, demErzbischofe Nieetius (5352-5655) die Sorge für Wiederher-
stellung des Trierßr Domes und den Erfolg derselben zu preisen scheint:
Teznpla vetusta Dei renovasti in culmine IWÄSCO
Et jioret Senior, te reparante, domus.
Man hat diese Stelle auf 1111111101" Wilrhtige Reparaturen am Dome tre-
dentet; der Pentametcr, in Seiner poetischen Ausdrucksweise, kann aber