Die
Porta Nigra zu Trier.
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vor, welche in grosser Anzahl und oft wiederholt, wohl als Handzeichen der
Steinmetzen, die Quader der Porta nigra bedecken. Wenn diese gleich himmel-
weit von den klassischen Linien römischer Lapidarschrift entfernt sind und
gewiss eher byzantinischer Mönchsschrift näher kommen, so beweisen Sie doch
wenigstens, dass die Urheber derselben nicht deutsch, sondern wohl eher latei-
nisch (oder griechisch?) gesprochen. Professor Pertz in Berlin, dem sie eben-
falls vorgelegen, hält sie für sehr alt und aus den ersten Zeiten schriftlicher
Aufzeichnung, verhehlte jedoch nicht dabei, dass aus solchen Steinhanerzeicheir,
die sich oft wie Familienwappen von Geschlecht zu Geschlecht fortznerben pfleg-
ten, keine Schlüsse auf die Zeit ihres Ursprungs gezogen werden konnten.
1847,
Kunstblatt,
(Aus einem Aufsatz von Gottfried Kinkel über das Werk: „Die Bau-
werke in der Lombardei vom Tten bis zum 14ten Jahrhundert, gezeichnet
und durch historischen Text erläutert von Friedrich Osten. Erste
Lieferung.)
Das dritte mitgetheilte Gebäude ist der vielbesprochene Palazzo delle
Torri zu Turin. Das Mittelstück ist ein schöner Bau mit Halbpfeilern in reinem
Gefühl und einfach-feinen jonisirenden Zahngesimsen. Die beiden lßeckigen
Thürme aber, welche diese Schauseite einfassen, erscheinen (auch abgesehen von
ihren viel späteren Zinnenaufsätzen) ohne Harmonie mit dem Mittelstück. Sie
sind durch vier Reihen ganz einfassungsloser Fenster durchbrochen , von denen
keine den Fensterreihen des Mittelbaues sich anschliesst. Hierin behält die
sonst nahverwandte Porta nigra zu Trier einen hohen Vorzug, indem bei ihr die
üankirenden Thürme durch gleiche Halbsäulenverzierung und den Fortlauf der
Fensterreihen mit in die grossartige Anlage hineingezogen sind. Dagegen erin-
nert der Palazzo sowohl in der Gesammtanlage der verzierenden Säulen, als
besonders in den Gesimsen bedeutend an die Vorhalle von Lorsch unweit der
llergstrasse. Da nun jener in Urkunden erst seit Karl dem Grossen erwähnt
und von Herrn Osten gleichfalls unter die letzten selbständigen Herrscher des
Volks verlegt wird, so wird er mit Lorsch gerade in eine Zeit fallen, und beide
Gebäude bestätigen einander. Denn es ist trotz Allem, was darüber neuerlich
behauptet (aber nicht bewiesen) wurde, der Paluzzo weder für ein römisches,
noch Lorsch für ein spätromauisches Werk anzusehen.
Nachschrift von
Kugler.
Das im Vor-stehenden besprochene Heft giebt mir einen Anknüpfungs-
punkt, um einem Aufsatze des Herrn Eltester über die Porta nigra in
Trier (in Nr. 35 des vorjährigen Kunstblattes), worin derselbe meine An-
sieht, dass dies Bauwerk nachrömisch und erst der fränkischen Zeit an-
gehörig sei, zu widerlegen sucht, einige Gegenbemerkungen hinzuzufügen.
Aeussere Verhältnisse, die mich schon seit mehreren Jahren der eignen
'l'hätigkeit in kllnsthistßrischen Spezialstudien entzogen, haben mich hiezu
IliCht eher kommen lassen, und auch jetzt bin ich ausser Stande, die Streit-
frage in ihrem ganzen Umfange wieder aufzunehmen, muss diess vielmehr
einstweilen Andern überlaSSßn. Ich hatte mich für meine Behauptung u. A.
auf die Verwandtschaft der Porta Nigra mit dem Palazzo delle Torri zu
Turin bezogen, der schon durch Cordero (in dessen gekrönter Preis-
schrift „dell' italiana architettura duranle la dominazione Longobarda."
selbständig und zugleich in den Commentarj delP Ateneo di Brescia, 1828,