Volltext: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte (Bd. 1)

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Pommersche Kunstgeschichte. 
die Anbetung der Hirten, die Auferstehung und die Himmelfahrt Christi, 
die Taufe Christi und eine andere Taufe als Vorgang aus dem gewöhn- 
lichen Leben. Der Maler hat sich selbst genannt, in einer Inschrift, die 
sich auf dem Mittelbilde, am Fusse des Kreuzesstammes befindet; sie lau- 
tet: "Anno 1580 Den 27. April ist dis werck Vollendet durch Dauid Red- 
tel Maler." (Durch Friedeborn i) wissen wir, dass dieser Meister in Stet- 
tin ansässig war und daselbst im Jahre 1591 starb.) Redtel erscheint als 
ein Künstler, der ungefähr mit seinen deutschen Zeit- und Kunstgenossen 
auf gleicher Stufe steht; als ein Nachahmer der römischen und florentini- 
scheu Schule, der sich, wenn auch ohne eigne bedeutendere Tiefe, doch 
in den Formen jener Schulen mehrfach mit Glück bewegt. Das Interes- 
santeste an dem ganzen Werke ist unstreitig die zuletzt genannte Taufe, 
in welcher der Künstler unmittelbar auf die Formen der Natur hingewiesen 
war und in welcher er einen erfreulichen, kräftig lebendigen Sinn für die 
Erscheinungen des Lebens ausspricht. Diese Scene ist ganz portraitmässig 
behandelt. Die Leute stehen ehrbar und tüchtig da; ein Prediger hält den 
eingewindelteu Täufling über dem Taufsteine, zwei Männer und eine züch- 
tige Frau stehen hinter demselben; im Hintergründe sieht man noch ein 
Paar Zuschauer. 
Sodann sind mehrere Gemälde in der Schlosskirche zu Stettin 
anzuführen. Die scheinbar ältesten unter diesen sind die kleinen Gemälde, 
mit denen die Kanzelbrüstung verziert ist. Die Kanzel selbst gehört der 
Zeit um den Anfang des vorigen Jahrhunderts an, die Bilder aber sind 
offenbar älter und dürften vielleicht der Mitte des sechzehnten Jahrhun- 
derts zuzuschreiben sein. Sie stellen biblische Scenen dar; einige von 
ihnen verrathen eine Nachahmung Cranach's, andre eine Nachahmung Ra- 
phaels. Die letzteren bewegen sich mit grossem Glück in den Formen und 
Motiven, welche die Schule dieses grossen Meisters charakterisiren; sie 
würden ohne Zweifel ein sehr lebendiges Interesse in Anspruch nehmen, 
wären sie nicht leider sämmtlich stark übermalt. 
Das Altarblatt der Schlosskirche ist wiederum ein grosses Werk; es 
besteht aus einem grossen Hauptbilde, dem sich zwiefache Flügelbilder an- 
schliessen. Das Hauptbild enthält in einer ügurenreichen Composition eine 
Anbetung der Könige; auf den inneren Seiten des ersten Flügelpaares ist 
die Kreuzigung und Auferstehung Christi dargestellt. Diese drei Gemälde 
sind aber ebenfalls so stark und in so wenig günstiger Weise übermalt, 
dass sich nichts Sonderliches über ihren ursprünglichen Kunstwerth sagen 
lässt; einer der Könige im Mittelbildc dürfte als das Portrait eines pom- 
merschen Herzoges zu betrachten sein. Schliesst man die Flügelbilder, so 
sieht man auf ihren Aussenseiten den verkündigenden Engel und die hei- 
lige Jungfrau dargestellt und auf einem zweiten Flügelpaare die Geburt 
Christi und den Besuch der Maria bei der Elisabeth. Die Reihe dieser 
äusseren Gemälde ist zwar mehrfach beschädigt, doch glücklicher Weise 
von der verschlimmbessernden Hand des neueren Restaurators befreit geblie- 
ben. Als Meisterwerke ersten Ranges möchte ich sie zwar keineswegs be- 
zeichnen, doch haben sie viel Ülreilliches, in der Weise jener weicheren, 
farbenreichen Meister, die gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts 
zu Rom auftraten; einige zarte Köpfe, namentlich den sehr anmuthigen der 
Madonna in der Verkündigung, möchte ich einem Baroccio nahe stellen. 
i) Hist. Beschreibung etc. III, Anhang: "1591, 7. Nov. Dauid Rette], 
Mahle: cum conjuge et ülia innerhalb I2 Stunden gestorben." 
ein
	        
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