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Pommersche Kunstgeschichte.
terschrift genannten Personen sind unterwärts in kleinen Figuren knieend
dargestellt, links Herr Simon Adebar, rechts seine beiden Frauen.
An einem Pfeiler des südlichen Seitenschiffes hängt ein Gemälde,
ebenfalls vom Ende des funfzehnten Jahrhunderts, das zwar roh gemalt,
aber durch seinen Gegenstand von eigenthümlichem Interesse ist. Es ge-
hört zum Kreise der Todtentänze. Es stellt einen Kirchhof vor und darin
eine Grabkapelle; ein ganz geharnischter Ritter kniet mitten auf dem
Kirchhofe vor der Kapelle, während ans _den Gräbern und aus den Thüren
der Kapelle allerlei Todtengerippe mit Waffen und anderrn Gcräth hervor-
dringen und sich bereit machen, gegen eine herannahende Ritterschaar
anzukämpfen. Diesem Bilde gegenüber hängt ein andres, welches eine
"Weisselfrau", mit einem Schloss vor dem Munde, Schlüsseln vor den
Ohren und mit allen möglichen andern Attributen vorstellt. Reichliche
lnschriften, über und zu den Seiten der Figur'), erklären ihre Bedeutung.
Unterwärts steht „Ivan von Cortenbach i. J. d. H. 1494, erneuert
1741." Soviel man, nach der Erneuerung des Bildes, noch urtheilen kann,
entspricht es dem Charakter der Nürnberger Schule.
An einem Pfeiler des nördlichen Seitenschides hängt ein Gemälde,
welches die drei Gekreuzigten, Maria und Johannes, und die kleine Figur
des knieenden Donators darstellt. Es hat etwas Verwandtes mit dem jün-
geren Cranach, namentlich eine Milde und Zartheit in den Köpfen, wie
man solche auf den Bildern dieses liebenswürdigen Meisters linde-t; doch
ist eines 'I'heils die Zeichnung der Figuren minder bedeutend, anderen
Theils mischt sich der Erinnerung an Cranach zugleich etwas von dem
Style des Hans Baldung Grien bei. Leider hat das Gemälde gelitten; sein
Werth macht eine verständige Restauration wünschenswerth.
Endlich sind in der Marienkirche zu Colberg, an zwei Pfeilern des
Mittelschitfes, noch die Brustbilder Luthers und Mclanchthons von der
Hand des älteren Cranach (des berühmteren) vorhanden. Ich halte "sie für
Originale, oder vielmehr: ich glaube, dass es solche gewesen sind, da,
sich namentlich an dem Kopfe Melanchthons noch die Spuren einer gross-
artig meisterlichen Bchandlungswcise, im Charakter dieses Künstlers. zei-
gen. Beide sind aber in neuerer Zeit (nach einer Inschrift auf dem Bilde
Melanchthons, im J. 1741) so schmaehvoll übersudelt, dass sich das Auge
des Kunstfreundes mit Unwillen und Schmerz von ihnen abwendet. Es
würde der Kirche schwerlich zur Unehre gereichen, wenn man beide Ge-
inälde den Händen eines geschickten Restaurators übergäbe, der die Su-
delei wieder fortnähme und den Schaden der Originale, der darunter viel-
leicht verdeckt liegen mag, mit bescheidener Hand ergänzte.
In der Marienkirche zu Rügenwalde, zu den Seiten der Kanzel,
finden sich ebenfalls die Portraits von Luther und Melanchthon, die gleich
jenen aus Sachsen herzustammen scheinen. Beide sind klein und von
verschiedener Dimension. Das Portrait Luthers ist das grössere und mit
dem bekannten Granat-Eschen lilonogramm, der Schlange, versehen; es ist
merken ist, dass in dieser Unterschrift das M stets durch das Zeichen h-I , das
H aber stets als ein solches geschrieben wird. Dies dürfte, in Rücksicht auf
die bekannte Streitfrage, ob man den Namen jenes bekannten Malers der alttlan-
drischen Schule als "Hemling" oder "Nlemling" zu lesen habe, die Annahme der
letzteren Lesart bestätigen.
1) Abgedruckt
bei Maass,