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Pommersche Kunstgeschichte.
168, ein NVasserweib, dessen Körper in einem Fischschwanze endigt
von einem wilden Manne umfasst wird.
1d
das
und
Geschnitzte Altäre
ähnliche
Gegenstände.
Wir betrachten nunmehr diejenigen Werke der freien bildenden Kunst,
welche der in Rede stehenden Gattung angehören und die, ausser den Dar-
stellungen einiger einzelnen Figuren, wie Cruciüxen und ähnlichen Gestal-
ten, vorzugsweise aus Altären der oben beschriebenen Art bestehen. Ihrem
künstlerischen Style nach scheiden sie sich in zwei Hauptclassen. Die
eine Classe wird aus denjenigen Werken gebildet, welche jenen mehr ide-
alen, sogenannt germanischen Styl tragen, der sich durch die langen, weich-
geschwungenen und weichgebrochenen Linien der Gewandung und durch
eine grössere Zartheit im Ausdrucke des Gefühles auszeichnet. Dies ist
der Styl des vierzehnten Jahrhunderts, der aber, wie es scheint, bis in die
spätere Zeit des folgenden beibehalten wurde, so dass es zumeist sehr
schwer ist, eine nähere Zeitbestimrnung der einzelnen Werke zu geben. 1)
Die zweite Classe begreift die Werke eines späteren Styles in sich, der
etwa um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts beginnt und bis in das
sechzehnte Jahrhundert, bis zum Erlöschen derlieimischen Kunstweise
und zum Auftreten der italienischen, anhält. In diesen Werken spricht
sich eine weniger ideale Richtung aus, aber es tritt statt dessen mehr In-
dividualität, eine schärfere Beweglichkeit, der Ausdruck mehr leidenschaft-
licher Momente hervor. Die Formen sind hier zumeist derber, die Ge-
wandung ist in einer. ich möchte sagen: hastigeren Weise, schärfer ge-
brochen, zuweilen selbst geknittert, obgleich es im Einzelnen auch hier
nicht an grossartiger Anlage fehlt. In der zweiten Classe lassen sich
wiederum besondere Styl-Unterschiede bemerklich machen. Da aber diese
feineren Unterscheidungen ihre grossen Schwierigkeiten haben, so möge es
im Folgenden genügen, den reichen Vorrath nur nach den hervorstechend-
sten Eigenthümlichkeiten des Einzelnen in einige IIauIJt-Gruplven zu son-
dern und dabei vorzugsweise die allgemeineren Verhältnisse des Entwicke-
lungsganges zu beobachten. Zugleich will ich mich , um eine möglichst
bequeme Uebersicht zu geben, bemühen, das an den einzelnen Lokalen
Vorhandene, soviel es irgend angeht, nebeneinander zu stellen.
Unter den Werken der ersten Classe, die, wie angedeutet, im Allge-
meinen als die älteren zu betrachten sind, nenne ich zunächst das Relief
eines Altarschreines von verhältnissmässig kleiner Dimension, das zwar
nicht, wie alle übrigen, aus Holz, sondern aus Stucco gearbeitet ist, das
sich aber im Wesentlichen den Bedingnissen des in Rede stehenden Kunst-
zweiges anreiht und das, als das Alterthümlichste in Bezug auf den Styl,
einen zweckmässigen Ausgangspunkt darzubieten scheint. Es befindet sich
in der Marienkirche zu Anclam, in einer kleinen Seitenkapelle auf
der Mitte der Südseite der Kirche, und stellt, in ziemlich iigurenreicher
Composition, die Kreuzigung Christi dar. Der Styl beobachtet in ziem-
i) Es ist dies um so schwerer, als für kein einziges der in Rede stenßnfißn
Werke ein sichres Datum vorhanden ist, so dass lediglich die Eigenthumhch-
keiten des Stylcs über die Zeitfolge entscheiden müssen.